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Laut einer Pressemeldung des EuGH hat H&M erfolglos versucht zu verhindern, dass Yves Saint Laurent zwei Designs (Geschmacksmuster) von Handtaschen beim HABM einträgt.

Urteile in den Rechtssachen T-525/13 und T-526/13

H&M Hennes & Mauritz / HABM – Yves Saint Laurent (Handtaschen)


Das Gericht der EU weist die von H&M erhobenen Klagen gegen die Eintragung zweier Geschmacksmuster einer Handtasche von Yves Saint Laurent ab

Nach der Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster hat ein eingetragenes Geschmacksmuster Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster, das der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung zugänglich gemacht worden ist, bei diesem Benutzer hervorruft. Die Eigenart eines Geschmacksmusters beurteilt sich unter Berücksichtigung des Grads der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei seiner Entwicklung.

Im Jahr 2006 ließ das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) zwei zur Anwendung auf Handtaschen bestimmte Geschmacksmuster der französischen Gesellschaft Yves Saint Laurent (YSL) zur Eintragung zu:

tasche 1tasche 2

Im Jahr 2009 reichte die Gesellschaft H&M Hennes & Mauritz (H&M) beim HABM zwei Anträge auf Erklärung der Nichtigkeit der für YSL eingetragenen Geschmacksmuster ein und führte zur Begründung aus, dass diese keine Eigenart aufwiesen. H&M stützte ihren Antrag auf das folgende ältere Geschmacksmuster: 

ysl zeicnung

Da ihre Nichtigkeitsanträge abgelehnt wurden, legte H&M beim HABM zwei Beschwerden ein, die mit Entscheidungen vom 8. Juli 2013 zurückgewiesen wurden. Im Rahmen der Prüfung der Eigenart der Geschmacksmuster von YSL gelangte das HABM zu der Einschätzung, dass die Geschmacksmuster von YSL und H&M zwar gemeinsame Merkmale hätten, die Unterschiede in Bezug auf Form, Struktur und Gestaltung der Oberfläche aber eine entscheidende Rolle bei dem von diesen Taschen hervorgerufenen Gesamteindruck spielten. Der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers sei hoch, in diesem Fall beseitige er aber aus Sicht der informierten Benutzerin nicht die erheblichen Unterschiede zwischen den fraglichen Taschen.

H&M hat beim Gericht der Europäischen Union beantragt, die Entscheidungen des HABM aufzuheben.

Mit seinen Urteilen vom heutigen Tag weist das Gericht die Klagen von H&M ab.

Entgegen der Auffassung von H&M ist die Beurteilung des Grads der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers keine abstrakte Vorstufe des Vergleichs zwischen den Gesamteindrücken, die die fraglichen Geschmacksmuster hervorrufen. Die Eigenart eines Geschmacksmusters bestimmt sich nicht allein nach dem Faktor der Gestaltungsfreiheit. Dieser ist vielmehr ein Gesichtspunkt, der zu berücksichtigen ist, da er es erlaubt, diese Beurteilung zu nuancieren.

Hinsichtlich des Vergleichs zwischen den von den fraglichen Taschen hervorgerufenen Gesamteindrücken weist das Gericht darauf hin, dass sich der Entscheidung des HABM zufolge die Taschen von YSL durch drei Merkmale, die sich entscheidend auf ihr Gesamterscheinungsbild auswirkten, von der Tasche von H&M unterscheiden, nämlich ihre Form, ihre Struktur und ihre Oberflächengestaltung. Das Gericht bestätigt die Beurteilung durch das HABM, wonach die Geschmacksmuster von YSL somit bei der informierten Benutzerin einen anderen Gesamteindruck hervorrufen als das von H&M. Die Unterschiede zwischen den in Rede stehenden Geschmacksmustern sind erheblich3 und die Ähnlichkeiten4 zwischen ihnen sind für den Gesamteindruck, den sie hervorrufen, unwesentlich. Bei den Geschmacksmustern von YSL wird der Eindruck eines durch Grundlinien und eine Einfachheit der Form gekennzeichneten Musters einer Tasche hervorgerufen, während das Geschmacksmuster von H&M den Eindruck einer detaillierter gearbeiteten Tasche hervorruft, die durch Rundungen und eine mit Ornamenten verzierte Oberfläche gekennzeichnet ist. Die Riemen und der Griff der Geschmacksmuster der beiden Marken dienen offenkundig unterschiedlichen Verwendungen, da die Geschmacksmuster von YSL ausschließlich in der Hand zu tragende Taschen darstellen, während das von H&M eine über der Schulter zu tragende Tasche darstellt.

1 Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 (ABl. 2002, L 3, S. 1).

2 Ein informierter Benutzer ist ein Benutzer, dem eine besondere Wachsamkeit eigen ist, sei es wegen seiner
persönlichen Erfahrung oder seiner umfangreichen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich. Er kennt verschiedene  Geschmacksmuster, die es in dem betroffenen Wirtschaftsbereich gibt, besitzt gewisse Kenntnisse in Bezug auf die  Elemente, die diese Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und benutzt diese Produkte aufgrund seines  Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit.

3 Insbesondere hat das HABM in seinen Entscheidungen vom 8. Juli 2013 festgestellt, dass die Gestalt der
Geschmacksmuster von YSL erkennbar rechteckig sei, was ihnen den Eindruck eines vergleichsweise eckigen Gegenstands verleihe. Dagegen sei der Umriss des Geschmacksmusters von H&M durch Rundungen geprägt. Ferner seien die Geschmacksmuster von YSL aus einem einzigen Stück Leder gearbeitet, während die Vorder- und die Rückseite des Geschmacksmusters von H&M durch Nähte in drei Teile geteilt seien. Schließlich sei die Oberfläche der Geschmacksmuster von YSL (mit Ausnahme zweier Nahtansätze in den unteren Ecken) völlig glatt gestaltet, während die Oberfläche des Geschmacksmusters von H&M mit deutlichen und plastisch hervorgehobenen Verzierungen versehen sei.

4 Die gemeinsamen Merkmale der Geschmacksmuster für eine Tasche sind ihre obere Umrisslinie und der Griff in Form eines oder mehrerer Riemen, die mit einem durch Nieten verstärkten System von Ringen an der Tasche befestigt sind. In seinen Entscheidungen vom 8. Juli 2013 hat das HABM u. a. darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, in der diese Ringe in die fraglichen Taschen eingearbeitet seien, sehr unterschiedlich sei, da die Ringe bei den Geschmacksmustern von YSL, anders als bei dem von H&M, deutlich sichtbar seien und das Licht durchließen, ein Detail, das für die informierte Benutzerin klar erkennbar sei.


HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein
auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.

HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig
erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union
oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die
Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa
entstehende Regelungslücke zu schließen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das das Gericht nicht bindet.

Der Volltext der Urteile T-525/13 und T-526/13 wird am Tag der Verkündung auf der Curia-Website
veröffentlicht.

Pressekontakt: Hartmut Ost . (+352) 4303 3255