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Wer Zahlungen in File-Sharing Fällen an Rechtsinhaber zahlt, die Dienste der Firma  Guardaley verwendet haben, hat wohl oftmals grundlos Geld ausgegeben. Immer mehr Gerichte äußern Zweifel an der Funktionsfähigkeit. So auch das AG Braunschweig, vor dem wir für eine Mandantschaft erfolgreich waren.

Interessanter ein anderer Punkt: das Gericht hält es bei einer nur sekundenlangen Feststellung nicht für nahe liegend, dass eine Verbreitung stattfindet und widerspricht damit einer Entscheidung des AG Düsseldorf.

„Das Gericht erachtet es als verfehlt, nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass das Werk zum Zeitpunkt der festgestellten Handlung vollständig heruntergeladen werden sollte und folglich während der Downloadzeit eine Verbreitung stattgefunden hat. “ 

Auch hat das Amtsgericht Zweifel an der Ermittlung mittels eines Hashwertes:

„Zwei Objekte, die gleich sind, geben denselben Hashcode zurück. Allerdings trifft der Umkehrschluss nicht zu: gleiche Hashcodes bedeuten nicht Objektgleichheit, da verschiedene (ungleiche) Objekte über identische Hashcodes verfügen können.“

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Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Telepool GmbH vertr.d.d. Geschäftsführer, Sonnenstraße 21,80331 München

Klägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte BaumgartenBrandt, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin
Geschäftszeichen: K0052-0962024386

gegen

….

Beklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Jüdemann und KoIl, Weiserstraße 10-12,
10777 Berlin

Geschäftszeichen: 15/14KJ 11

hat das Amtsgericht Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.2015 durch den
Richter am Amtsgericht Roblick für Recht erkannt:

1. Das Versäumnisurteil vom 11.09.2015 wird aufrecht erhalten.

2. Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

3.  Das Urteil ist wegen der weiteren Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung, auch wegen der Kosten aus dem Versäumnisurteil, gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten wegen angeblichen öffentlichen Zugänglichmachens und unerlaubter Vervielfältigung des Films „Baby on Board“, der in Deutschland erstmalig am 15.01.2010 als DVD im Verkauf und im Verleih kommerziell veröffentlicht worden ist, in Anspruch.

Die Klägerin beansprucht für sich die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem genannten Filmwerk im deutschsprachigen Raum. Sie behauptet:

Die von ihr mit der Feststellung von im Internet begangenen Rechtsverletzungen beauftragte Guardaley Ltd. habe zunächst festgestellt, dass Kopien dieses Films in Internettauschbörsen, sogenannten Filesharing- oder Peer-to-Peer-Netzwerken, den Hashwert BE6DD356E39B6757B39333E23109AFA1 aufweisen. Sodann habe die Guardaley Lrd. mittels der von ihr erstellten Software .Observer“ ermittelt, dass eine Datei mit identischem
Hashwert am 17.12.2009 um 21 :23:50 Uhr mittels des Filesharing-Clients „eMule v0.49c“ über die IP-Adresse 84.132.189.43 zum Herunterladen – .Download“ – angeboten worden sei (Beweis: Zeugnis ….). Diese IP-Adresse sei zur genannten Zeit dem Internetanschluss der Beklagten zugeordnet gewesen (Beweis: Schreiben Deutsche Telekom v. 15.02.2010, Anlage K4). Am 18. und 19.12.2009 seien zwei weitere gleichartige Verletzung handlungen vom Anschluss der Beklagten aus begangen worden (Beweis: „Dokumentation“, Anlage K2). Die Beklagte habe diese Handlungen begangen (Beweis: Parteivernehmung der  Beklagten).

Mit Schreiben ihrer Prozess bevollmächtigten vom 26.07.2010 (Anlage K9) mahnte die Klägerin die Beklagte wegen der angeblichen Verletzung ihrer Rechte an dem Filmwerk ab und for-derte sie unter Fristsetzung auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben sowie Schadens- und Aufwendungsersatz zu leisten. Sie bot diesbezüglich eine vergleichsweise Einigung auf Basis einer Zahlung in Höhe von 850,00 € an. Die Beklagte reagierte darauf nicht. Nach Fristablauf nahm die Klägerin sie nicht gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch, erwirkte gegen sie indes einen Mahnbescheid über 555,60 € Rechtsanwalts-/ Rechtsbei-standshonorar sowie über 400,00 € Schadensersatz, gegen den die Beklagte Widerspruch eingelegt hat.

Die Klägerin hält die Datenerfassung durch die Guardaley Ltd. für zuverlässig und behauptet, bei der oben genannten Datei handele es sich um eine voll funktionsfähige Version ihres Filmwerks (Beweis: Vorlage des Gutachtens …… vom 04.05.2010; Zeugnis ..; Zeugnis …). Die Beklagte habe sie schuld haft anderen Nutzern der Tauschbörse zugänglich gemacht und sie zu diesem Zweck unerlaubt vervielfältigt (Beweis: Parteivernehmung der Beklagten). Wegen der Höhe ihrer Forderungen wird auf die Ausführungen ab Seite 8 der Anspruchsbegründung Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2015 ist die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen worden. Hiergegen hat die Klägerin frist- und formgerecht Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

1. das Versäumnisurteil vom 11.09.2015 aufzuheben;

2.    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 400,00 betragen soll, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2014 zu zahlen;

3.      die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 555,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil vom 11.09.2015 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte wendet ein, sie sei zur genannten Zeit nicht zu Hause gewesen und ihr Rechner sei ausgeschaltet gewesen. In ihrer Wohnung habe sich jedoch ihr jetziger Lebensgefährte, Herr …., aufgehalten. Es bestehe die ernst zu nehmende Vermutung, dass dieser die Verletzungshandlung begangen hat. Darüber hinaus erhebt die Beklagte die Verjährungseinrede.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bereits nach Maßgabe des eigenen Sachvortrags der Klägerin unbegründet, so dass das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten ist.

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nach §§ 19a, 97 Abs. 2 UrhG wegen zumindest fahrlässiger widerrechtlicher Verletzung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung des Films „Baby on Board“ setzt die Feststellung voraus, dass das Werk vom Internetanschluss der Beklagten aus Dritten zugänglich gemacht worden ist.

Diese Feststellung erlaubt das Klagevorbringen nicht. Sie würde voraussetzen, dass die Beklagte Dritten den Zugriff darauf eröffnet hat. Das kann zwar der Fall sein, wenn das Werk auf dem Computer für andere Teilnehmer eines dezentralen File-Sharing-Systems bereitgehalten wird (Dreier/Schulze, UrhG, 4. Auf!., § 19a Rn. 6). Die anderen Teilnehmer müssen aber in die Lage versetzt sein, auf das gesamte Werk oder zumindest auf verwertbare Teile davon zuzugreifen. Der nach der Darstellung der Klägerin von der Beklagten eingesetzte File-Sharing- Client erlaubt es den Teilnehmern, jeweils einzelne Stücke einer Datei, die Chunks genannt werden, herunterzuladen und diese nach ihrer Komplettierung zu der ganzen Datei zusam- menzufügen. Diese Chunks müssen eine Mindestgröße von 9,28 MB aufweisen (vgl. http://wikiJan-sub.de/index.php?title=EMule). Ein üblicher DSL-16.000- Anschluss erlaubt ein maximales Uploadvolumen von 2.400 KbitlSek., so dass das Hochladen von 9,28 MB mehr als 30 Sekunden benötigt. Die Feststellung der Firma Guardaley Ud. lastet der Beklagten aber eine nur 1 Sekunde oder sogar nur einen Bruchteil davon währende Verletzungshandlung an, denn sie gibt für sie keinen Zeitraum sondern einen einzelnen sekundengenau festgehaltenen Zeitpunkt an. In einer Sekunde lassen sich aber höchstens 0,29 MB hochladen.
Das Gericht erachtet es als verfehlt, nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass das Werk zum Zeitpunkt der festgestellten Handlung vollständig heruntergeladen werden sollte und folglich während der Downloadzeit eine Verbreitung stattgefunden hat. Dieser vom Amtsgericht Düsseldorf in dessen ansonsten sehr sorgfältig begründetem Urteil vom 20.05.2014 – 57 C 16445/13 – (zitiert nach juris, ebenso AG Düsseldorf, Urt. v. 13.01.2015- 57 C 7592/14 -) eingeschlagene Weg erscheint spekulativ und lässt unberücksichtigt, dass ein Nutzer eines File-Sharing-Netzwerks eine Datei nicht nur während deren eigenen Downloads anderen zum Download anbietet. Das ist auch nach einem unbestimmte Zeit zuvor erfolgten Herunterladen oder dem Kopieren dieser Datei möglich, wenn der Nutzer sie in seinem File- Sharing-Verzeichnis stehen gelassen hat oder sie darin nach dem Kopieren einstellt. Die entsprechende Motivation dazu ergibt sich unschwer aus dem Zweck der Tauschbörse, möglichst viele Download-Angebote bereitzustellen. Folglich ist es ebenso gut möglich und nach allgemeiner Lebenserfahrung sogar naheliegend, dass der Nutzer im Moment der ihm angelasteten Verletzungshandlung eine völlig andere als die geschützte Datei heruntergeladen hat. Mit einem DSL-16.000-Anschluss lässt sich in einer Sekunde ein maximales Datenvolumen von 1,95 MB herunterladen. Das entspricht der Größe eines kurzen Musikstücks im MP3-Format oder mehrerer Bilder im JPEG-Format. Nach alledem ist die von der Guardaley Ud. angewandte Ermittlungsmethode ungeeignet, Rechtsverletzungen im Wege des öffentlichen Zugänglichmachens geschützter Werke nachzuweisen oder auch nur plausibel erscheinen zu lassen. Das gilt im Übrigen auch hinsichtlich der angeblichen weiteren Verletzungshandlungen am 18. und 19.12.2009, die sich indes entgegen der Darstellung der Klägerin nicht dem Internetanschluss der Beklagten zuordnen lassen. Die „Dokumentation“ liefert dafür jedenfalls keinen Beweis.

Es bedarf keiner vertieften Erörterung, ob der Beklagten nach alledem ein öffentliches Zugänglichmachen des Films zu anderen Zeitpunkten anzulasten ist. Hier sind allein Feststellungen dazu zu treffen, ob dies für den 17.12.2009 zutrifft. Zudem erschiene es wiederum spekulativ, wenn unterstellt würde, die Beklagte habe das Filmwerk mittels Einsatzes ihres Filesharing-Clients heruntergeladen. Selbst wenn vor der Erstveröffentlichung im Verkauf am 15.01.2010 noch kein physikalischer Datenträger (z. B. DVD) im Handel zu erwerben war, kann ihn jemand anderes erstellt und der Beklagten überlassen haben.

Es bestehen auch durchgreifende Zweifel, dass der von der Guardaley Ud. ermittelte Hash- Wert eine verlässliche Aussage dazu trifft, dass es sich bei der angebotenen Datei um eine vollständige Fassung des angeführten Werks gehandelt hat. Die Firma Microsoft führt dazu aus:

Zwei Objekte, die gleich sind, geben denselben Hashcode zurück. Allerdings trifft der Umkehrschluss nicht zu: gleiche Hashcodes bedeuten nicht Objektgleichheit, da verschiedene (ungleiche) Objekte über identische Hashcodes verfügen können.

Deswegen ist der Beklagten auch keine unerlaubte Vervielfältigung nach §§ 16, 97 UrhG anzulasten.

 

Schließlich sind Bedenken an der Zuverlässigkeit der Funktionsweise der von der Guardaley Ltd eingesetzten Ermittlungssoftware .Observer“ begründet. Das Oberlandesgericht Köln hat mit Beschluss vom 20.01.2012 – 6 W 242/11 -, juris, nachhaltige Zweifel daran geäußert, dass mit dieser Software Rechtsverletzungen zuverlässig festzustellen sind. Es hat der damaligen Antragstellerin im Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG die Darlegung aufgegeben, dass die Software vor der dort streitigen Verletzungshandlung regelmäßig von einem unabhängigen Sachverständigen überprüft wurde. Das Gericht macht sich mit dem Amtsgericht Frankenthal (Urt. v. 30.10.2014 – 3a C 198/14 -, juris) diese Bedenken zu Eigen. Sie werden da-von gestützt, dass sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in einem wettbewerbs rechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren erfolgreich mit dem Standpunkt durchgesetzt haben, die Guardaley Ud. erbringe unzuverlässige Rechercheleistungen (LG Berlin, Urt. v. 03.05.2011 – 16 0 55/11 -, juris). Es begründet Erläuterungsbedarf, dass sie hier vorgeblich eine völlig andere Sichtweise vertreten.

Weil nach alledem bereits das Klagevorbringen nicht die Feststellung rechtfertigt, die Beklagte habe die ihr angelastete Rechtsverletzung begangen, ist dem auf ihre Parteivernehmung zielenden Beweisantritt der Klägerin nicht nachzugehen.

Ebenfalls ist nicht feststellbar, dass die Abmahnung vom 26.07.2010 berechtigt war. Folglich sind der Klägerin auch nicht gemäß § 97a Abs. 3 UrhG die Kosten der Abmahnung zuzusprechen.

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Weil die Klage bereits auf Basis ihrer Begründung keinen Erfolg hat, ist dem Verteidigungsvorbringen der Beklagten nicht nachzugehen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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