030 88 70 23 80 kanzlei@ra-juedemann.de

Zustellung in deutscher Sprache nach Irland

Zustellung im Ausland: Das Amtsgericht Mitte hat am 8. März 2017 entschieden, dass die Zustellung einer Klageschrift in deutscher Sprache an die in Irland ansässige Facebook Ireland Ltd. wirksam ist, da eine Übersetzung in die dortige Amtssprache Englisch nicht erforderlich sei. Es erging Versäumnisurteil

Ein Nutzer von Facebook hat Klage u.a. mit dem Ziel erhoben, es zu verpflichten, ihm wieder uneingeschränkten Zugang zu seinem Account und insbesondere zu allen seinen Kommunikationsinhalten und zu den Funktionen der Internetplattform “facebook.com” zu gewähren. 

Der Kläger hatte einen Account eingerichtet, dessen Zugang ihm 2016 entzogen wurde. Die Rücknahme der Sperrung lehnte Facebook ab, da der Kläger „zur Nutzung von Facebook nicht berechtigt“ sei. 

Da auch die Einschaltung eines Rechtsanwaltes erfolglos blieb, erhob der  Nutzer Klage und reichte die Klageschrift nebst Anlagen in deutscher Sprache ein. Die Zustellung dieser Dokumente erfolgte in Irland erfolgt, ohne dass die Klageschrift nebst Anlagen zuvor in die englische Sprache übersetzt worden waren.

Zustellung im Ausland: Europäische Zustellungsverordnung

Nach der europäischen Zustellungsverordnung darf der Empfänger die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks verweigern, wenn es nicht in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates oder in einer Sprache, die der Empfänger versteht, verfasst bzw. keine entsprechende Übersetzung beigefügt ist.

Facebook hat sich darauf berufen, dass die zuständige Rechtsabteilung die Sprache nicht verstehe, und sich bisher nicht gegen die Klage verteidigt, da die Klage nach ihrer – der Beklagten – Auffassung nicht wirksam zugestellt worden sei.

Das Amtsgericht Mitte hat auf entsprechenden Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erlassen und die Beklagte nach dem Klageantrag verurteilt. In der Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Zustellung wirksam gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte hinreichend Deutsch verstehe.  Nicht zuletzt angesichts von 20 Millionen Kunden der Beklagten in Deutschland könne davon ausgegangen werden, dass Mitarbeitende beschäftigt seien, die in der Lage seien, sich in deutscher Sprache um rechtliche Auseinandersetzungen mit Kunden zu kümmern. Dementsprechend sei auch die Beschwerde des Klägers in deutscher Sprache beantwortet worden.

Nach dem Vorbringen des Klägers sei die Beklagte auch verpflichtet, ihm wieder Zugang zu dem von ihr betriebenen Kommunikationsportal zu gewähren.

Quelle: Pressemitteilung des Gerichts (link)

Zustellung im Ausland – Urteil

Amtsgericht Mitte

Im Namen des Volkes

Versäumnisurteil

Geschäftsnummer:

15 C 364/16

zugestellt an :

In dem Rechtsstreit

des Herrn …,
Klägers,

– Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …,-
g e g e n

die Facebook Ireland Limited,
vertreten durch d. Vorstand,
…,
Beklagte,

hat das Amtsgericht Mitte, Littenstr. 12-17, 10179 Berlin, Abt. 15

im schriftlichen Vorverfahren am 08.03.2017 durch die Richterin am Amtsgericht … für
Recht erkannt:

1) Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wieder uneingeschränkten Zugang zu gewähren zu
seinem Nutzerkonto, das der Kläger unter seinem Namen und der Anmeldekennung „…“ auf der
von der Beklagten betriebenen Plattform „facebook.com“ unterhält, insbesondere, dem Kläger
wieder Zugang zu allen seinen Kommunikationsinhalten und zu den Funktionen der
Internetplattform „facebook.com“ zu gewähren, wie sie dem Kläger zuletzt am 2. 7. 2016 zur
Verfügung standen,

2) Der Beklagten wird zur Erfüllung ihrer Verpflichtung nach Ziffer 1) eine Frist von 2 Wochen ab
Zustellung dieses Urteils gesetzt.

3) Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger freizustellen von vorgerichtlichen
Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 382,59 EUR.

4) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.


5) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

6) Die Einspruchsfrist wird auf 3 Wochen festgesetzt.
Gründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Mitte folgt aus Art 18 Abs.1 EuGVVO .

Die Klageschrift ist wirksam zugestellt worden.

Der Zugang der Klageschrift durch Auslandsempfangsbekenntnis ergibt sich aus der mit  Schriftsatz eines Anwalts vom 08.12.2016 für die Beklagte erfolgte Zurückweisung der Klagezustellung mangels Übersetzung in die englische Sprache.

Ob die Zurückweisungsfrist von einer Woche eingehalten wurde kann nicht festgestellt werden, da  das Empfangsbekenntnis nicht zur Akte gelangt ist.

Gemäß der EU-Zustellungsverordung –Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 kann die Annahme eines zuzustellenden Schriftstücks verweigert werden, wenn es nicht in einer Sprache abgefasst ist, die entweder der Adressat versteht oder welche Amtssprache am Zustellungsort ist.

Da Deutsch keine Amtsspache in Irland ist, kommt es darauf an, ob die Beklagte Deutsch versteht.

Dabei ist bei Unternehmen für die Sprachkenntnisse nicht auf die persönlichen Fähigkeiten der Mitglieder der Geschäftsleitung abzustellen, sondern auf die Organisation des Unternehmens insgesamt. Entscheidend ist insoweit, ob aufgrund des Umfangs der Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Land davon ausgegangen werden kann, dass im Unternehmen Mitarbeiter vorhanden sein müssten, welche sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den Kunden kümmern können. Dabei können regelmäßig schon ausreichende Kenntnisse derjenigen Sprache zugrundegelegt werden, die im Geschäftsverkehr des Adressaten genutzt worden sind (vgl. Rauscher a.a.O., Seite 821, Rn. 11, m.w;N.).

Die gesamte gegenüber Nutzern in Deutschland verwendete Plattform-Oberfläche der Beklagten ist in deutscher Sprache gehalten. Dies beginnt mit der zentralen Startseite der Plattform unter www.facebook.de und unter de-de.facebook.com:

Ferner sind sämtliche im Verhältnis zwischen den Parteien verwendeten Dokumente in deutscher Sprache gehalten, so die AGB der Beklagten, die AGB-Zusätze für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland, die Datenrichtlinie und die Cookie-Richtlinie .

Die Beklagte hat die deutsche Sprache auch nicht ausgeschlossen. Hätte sie dies wollen, so hätte sie dies explizit regeln müssen. Dies ergibt sich aus Artikel 246c Ziffer 4 EGBGB.

Die Beklagte verfügt nach eigenen Pressemitteilungen über mehr als 20 Millionen Kunden in Deutschland. Hierfür müssen logischerweise rechtlich bewanderte deutschsprachige Mitarbeiter zur Verfügung stehen, da anders ein solcher Umfang an Geschäftstätigkeit nicht ausgeübt werden könnte.

Entsprechend wurde auch die Beschwerde des Klägers in deutscher Sprache von einem Mitarbeiter der Beklagten beantwortet, welcher, wovon das Gericht auszugehen hat, sich zuvor rechtlich mit der Beschwerde auseinander gesetzt hat.

Die Klage wurde daher wirksam zugestellt.

Die Anwendung deutschen Rechts folgt aus Art 6 der ROM-I-VO.

Die Klage ist schlüssig.

Die Parteien haben unstreitig einen Vertrag geschlossen. Hauptleistungspflicht der Beklagten ist Gewährung der Nutzung des von ihr betriebenen Kommunikationsportals. Im Gegenzug erlaubt der Kunde der Beklagten die Nutzung seiner Daten. Eine Vertragsbeendigung wegen Befristung noch ein Kündigungs- oder Zurückbehaltungsrecht wurden seitens der Beklagten vorgetragen. Dem Kläger steht daher der geltend gemachte Hauptanspruch auf Vertragserfüllung gegen die Beklagte zu.

Der Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten ist begründet aus § 280 BGB.

Die Beklagte hat innerhalb der vom Gericht gesetzten Fristen zur Sache inhaltlich nicht Stellung genommen und keine Einwendungen erhoben.

Mit Beschluss vom 14.11.2016 hat das Gericht das schriftliche Vorverfahren gemäß § 276 ZPO angeordnet und der Beklagten eine Frist zur Verteidigungsanzeige von 14 Tagen gesetzt. Gleichzeitig wurde der Beklagten mitgeteilt, dass sie binnen vier Wochen einen Zustellbevollmächtigten in der Bundesrepublik Deutschland benennen möge und widrigenfalls spätere Zustellungen 2 Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt gelten.

Da die Klageschrift spätestens am 08.12.2016 vorgelegen haben muss, war die Frist zur Verteidigungsanzeige am 22.12.2016 und die Frist zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten spätestens am 20.01.2017 abgelaufen. Mit Beschluss vom 23.01.2016 zur Post gegeben am 24.01.2017 wies das Gericht darauf hin, dass es die Ansicht des Klägervertreters in dessen beigefügtem Schriftsatz vom 29.12.2016 teile, mithin die Zustellung der Klageschrift für wirksam erachte. Gleichzeitig setzte das Gericht eine Nachfrist von 3 Wochen zur Stellungnahme auf den Hinweis und zur Klage und wies noch einmal darauf hin, dass nach Ablauf der Frist ein Versäumnisurteil ergehen kann. Diese Frist lief am 28.02.2017 ab. Bis zu dieser Frist ging nur ein Schriftsatz einer ausdrücklich nicht zustellungs- und prozessbevollmächtigten Anwaltskanzlei ein, in welcher ausschließlich zur Frage der Wirksamkeit der Zustellung Stellung genommen wurde.

Es war daher antragsgemäß ein Versäumnisurteil zu erlassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
aus § 708 Nr. 2 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung …

Zustellung im Ausland Link zur Entscheidung