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Begriffe sexueller Natur verstoßen nach Ansicht des DPMA und auch des BPatG noch immer gegen die guten Sitten. Hier versuchte der Anmelder zunächst die Wortbildmarke „Ready to Fuck“ eintragen zu lassen, später änderte er das Zeichen durch Hinzufügung von „AA“ und dem Durchstreichen des Wortbestandteils „uc“ wie folgt:

Erfolglos trotz Liberaliserung, denn die Verwendung von Vulgärsprache habe nichts mit ,,Liberalisierung“ zu tun“

Das BPatgG ließ Allerdings die Rechtsbeschwerde  „zur Rechtsfortbildung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bei der Beurteilung sexuell anzüglicher Wörter erforderlich, auch zur Beantwortung der Frage, ob § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG u. a. sicherstellen soll, dass sittenwidrige Kennzeichnungen nicht über die Eintragung als Marke den Eindruck erwecken, staatlichen Schutz beanspruchen zu können.“

 

 

 

BUNDESPATENTGERICHT

27 W (pat) 138/10                                               Verkündet am
_______________                                               20. September 2011

(Aktenzeichen)

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

betreffend die angemeldete Marke 30 2008 070 717.8

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 20. September 2011 durch Vorsitzenden Richter
Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Werner

BPatG 154
05.11

beschlossen:

I.      Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.     Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluss der Markenstelle für
Klasse 41 vom 18. März 2010 die Anmeldung der farbigen (schwarz, weiß auf
orangem Hintergrund) Wort-Bild-Marke

für die Waren und Dienstleistungen

16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien,
soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, insbesondere
Aufkleber, Stickers (Papeteriewaren), Druckereierzeugnisse;
25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren; Kopfbedeckungen;

41: Unterhaltung sowie sportliche und kulturelle Aktivitäten, insbe-
sondere Organisation und Durchführung von sportlichen und kul-
turellen Veranstaltungen

nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG als sittenwidrige Angabe und mit wei-
terem Beschluss vom 1. Juli 2010 die hiergegen eingelegte Erinnerung des An-
melders zurückgewiesen.

Zur Begründung ist in den beiden Beschlüssen ausgeführt, trotz der in der Marke
enthaltenen Korrektur des U zu AA sei der zu beanstandende Ausdruck ,,Fuck“
noch erkennbar. Gegen die guten Sitten verstießen Marken, die geeignet seien,
das Empfinden eines beachtlichen Teils des Publikums zu verletzen, indem sie
sittlich, politisch oder religiös anstößig wirkten oder eine grobe Geschmacksverlet-
zung enthielten. Maßgeblich sei insoweit die Auffassung der Gesamtheit der nor-
mal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnitts-
verbraucher der maßgeblichen Waren und Dienstleistungen, wobei weder eine
übertrieben laxe noch eine besonders feinfühlige Ansicht entscheidend sei.
Den vom Anmelder zitierten Eintragungen stünden viele Schutzversagungen ent-
sprechender Marken entgegen.
Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die beanspruchten Waren und Dienst-
leistungen für breite Kreise jeden Alters von Interesse seien. Das angemeldete
Zeichen verletze im Zusammenhang mit diesen das Scham- und Sittlichkeitsgefühl
eines beachtlichen Teils des angesprochenen Publikums, weshalb ihm staatlich
verliehener Markenschutz nicht zu Gute kommen könne.
Der Erinnerungsbeschluss wurde dem Anmelder am 5. Juli 2010 zugestellt.

Mit seiner am 5. August 2010 eingelegten Beschwerde macht der Anmelder gel-
tend, das angemeldete Zeichen verstoße nicht gegen die guten Sitten. ,,Fuck“
wirke umgangssprachlich und vor allem jugendsprachlich nur noch als Kraftaus-
druck, als verstärkender Ausruf. Es sei in vielen Fällen Bestandteil von Marken,
Domains etc. und jedenfalls heutzutage nicht mehr ärgerniserregend – schon gar

nicht für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Hier stehe außerdem die
Ortsbezeichnung ,,Faak“ im Vordergrund. Dort fänden regelmäßig von ihm organi-
sierte Motorradtreffen statt. Die Marke sage in diesem Zusammenhang – gerade
wegen der ,,Korrektur – nur aus, der Angesprochene möge bereit sein, etwas be-
sonderes zu erleben; sexuelle Bezüge fehlten.

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben,
und regt hilfsweise an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

II.

1)      Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Er-
folg.
Die angemeldete Kennzeichnung ist von der Eintragung ausgeschlossen, weil sie
gegen die guten Sitten verstößt; dass das Wort ,,Fuck“ durchgestrichen ist, führt
davon nicht weg, weil es lesbar bleibt und die vorgebliche Korrektur die Aufmerk-
samkeit gerade auf dieses Wort lenkt. In einer Marke vermutet der Verbraucher
bei durchgestrichenen Bestandteilen, dass sie auch in dieser Form Sinn machen
sollen.

a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG sind Kennzeichnungen vom Markenschutz
ausgenommen, welche gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten
verstoßen.
Der Begriff der guten Sitten ist der sittlichen Auffassung, dem Anstandsgefühl aller
billig und gerecht Denkenden (vgl. BGH NJW 1953, 1665), zu entnehmen.
Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, ist dabei weder eine übertrieben
laxe noch eine besonders feinfühlige Meinung maßgeblich (BPatG BlPMZ 2003,
217 – Dalai Lama). Dabei darf zwar nicht unberücksichtigt bleiben, dass die maß-

gebliche Auffassung der Verbraucher von einer fortschreitenden Liberalisierung
der Anschauungen über Sitte und Moral geprägt ist. Die Verwendung von Vulgär-
sprache hat aber nichts mit ,,Liberalisierung“ zu tun. Vielmehr ist es für viele Er-
wachsene, insbesondere Eltern, Erzieher und Lehrer, eine mehr als mühsame
Aufgabe, die Verwendung solcher Ausdrücke durch Kinder und Heranwachsende
zu verhindern. Auch die in den Medien zu beobachtende Sprachentwicklung ist
nicht als Liberalisierung aufzufassen; im Gegenteil wird auch dort eine derartige
Ausdrucksweise nicht nur als Ärgernis, sondern als störend und abstoßend
empfunden, zumal ihr Gebrauch genau dies anstrebt, um zu provozieren. Das
zeigt auch, dass der Werberat, das Selbstkontrollorgan der deutschen Werbewirt-
schaft, Anfang 2011 die Verwendung der Begriffe ,,Vögeln“ und ,,Ficken“ in Slo-
gans bzw. als Produktbezeichnung gerügt hat.

Auch ist dem Eindruck entgegenzuwirken, Marken mit anstößigem Inhalt könnten
staatlichen Schutz erfahren. Dies widerspräche den Wertvorstellungen beacht-
licher Teile des deutschen Publikums (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl.,
§ 8 Rn. 278). Dass Schutz, z. B. gemäß § 4 Nr. 2, § 5 i. V. m. § 12, § 42 Abs. 2
Nr. 4 MarkenG, § 12 BGB, durch Benutzung entstehen kann, verlangt nicht, dass
der Staat aktiv und formell obszönen Begriffen auch registerrechtlichen Marken-
schutz verleihen muss. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG soll u. a. sicherstellen, dass
sittenwidrige Kennzeichnungen nicht über die Eintragung als Marke den Eindruck
erwecken, staatlichen Schutz beanspruchen zu können (anders noch BPatG,
Beschluss vom 1. April 2010, Az: 27 W (pat) 41/10, BeckRS 2010, 11250
– FickShui). Ziel des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG ist es nämlich nicht, nur Begriffe
oder Zeichen zurückzuweisen, die unter keinen Umständen benutzt werden dürf-
ten, wie sich aus dem daneben existierenden Versagungsgrund der Nr. 9 ergibt.

aa) Sittlichen Anstoß erregen Wortfolgen, die einen vulgären Ausdruck wie ,,fuck“
enthalten, jedenfalls wenn dieser als Verb für die Ausübung des Geschlechtsver-
kehrs steht, was vorliegend durch den Kontext ,,ready to“ (bereit für) vorgegeben
ist. Jedenfalls dann berührt es das sittliche Empfinden überwiegender Bevölke-

rungsteile – sowohl generell als auch als Waren- oder Dienstleistungskennzeich-
nung – über Gebühr. Zwar sind zahlreiche Verwendungen des Wortes ,,Fuck“ in
literarischen oder filmischen Zusammenhängen festzustellen. Dies zeigt aber
keine Abnutzung, die dazu führen könnte, dass es kaum noch als anstößig oder
gar provozierend empfunden wird. Vielmehr soll der Einsatz dort oft bewusst pro-
vozieren, was die Anstoßnahme dann einkalkuliert und teilweise voraussetzt.
Ein unerträglicher Verstoß gegen das sittliche Empfinden ist daher nicht nur dann
anzunehmen, wenn ein Zeichen Aussagen enthält, die diskriminierend sind oder
die Menschenwürde beeinträchtigen.
Das Wort ,,Fuck“ kann insoweit nicht ohne weiteres und voll umfänglich mit deut-
schen Ausdrücken wie ,,ficken“ gleichgesetzt werden (vgl. BPatG, Beschlüsse vom
21. September 2005, Az. 26 W (pat) 244/02, BeckRS 2009, 02893 – Ficke; vom
3. August 2011, Az.: 26 W (pat) 116/10, BeckRS 2011, 21631 – Ficken).

bb) Einen vom Anmelder reklamierten Bezug zu Motorradtreffen am Faaker See
enthält die Marke nicht. Dass die farbliche Gestaltung an die einer bekannten
Motorradmarke angelehnt ist, genügt hierfür ohne einen sonstigen Hinweis nicht.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob ein solcher Bezug dem Wort ,,Fuck“ über-
haupt etwas von seiner Anstoß erregenden Wirkung nehmen könnte.

cc) Dass ,,ready to fuck“ eine unverfängliche Aussage dahingehend darstellt, es
gehe darum, etwas besonderes (ohne sexuellen Bezug) zu erleben, vermag der
Senat nicht nachzuvollziehen. ,,Fuck“ ist nach ,,to“ ein Verb und kein Kraftaus-
druck.
,,Ready to“ ist auch gar keine Aussage, deren Bestätigung durch Ausdrücke, wie
,,wowh“, ,,Toll“, ,,Super“ o. ä. einen Sinn machen würde.
Dass hier die Aussage ,,Ready to Faak“ bekräftigt werden soll, ist auf Grund der
Schreibweise nicht erkennbar.
-7-

dd) Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt bei erkennbar witzig gemeinten
Aussagen fern (vgl. BPatG GRUR 2004, 875, 876 f. – Kokain-Ball; BPatG, Be-
schluss vom 28. März 2001, Az.: 26 W (pat) 192/99, BeckRS 2009, 19569
– schwarz     gebrannt;   Beschluss    vom     1. Juli 1998,   Az.: 26 W (pat) 112/97
– Cannabis). Die angemeldete Wortfolge enthält aber keine witzige Aussage, die
ihr die Anstoß erregende Wirkung nehmen könnte.

b)    Das angemeldete Zeichen ist allerdings unterscheidungskräftig und nicht
nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schutzunfähig. Diese Schutzhindernisse müssen
in Bezug auf die Wort-Bild-Kombination in ihrer Gesamtheit vorliegen, was hier
nicht der Fall ist.

Da die Markenstelle somit im Ergebnis zu Recht die Eintragung versagt hat, ist die
Beschwerde des Anmelders zurückzuweisen.

2) Soweit die Markenstelle bei fuck.de auf fehlende Unterscheidungskraft abge-
stellt hat und der Anmelder auf die Eintragung von ,,Fuck Luck“, ,,Fuckoff“, ,,star-
fucker“, ,,just a fucking T-Shirt“, ,,fucking hell“, ,,Fleischmarkt Fuck“ und ,,Fuck me
I’m famous“ sowie auf die Eintragung der streitgegenständlichen Marke in Öster-
reich verweist, ergibt sich hieraus kein Anspruch auf Eintragung in Deutschland.
Zwar kann eine uneinheitliche Entscheidungspraxis des Deutschen Patent- und
Markenamts, die dazu führt, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen we-
sentlich gleiche Sachverhalte ohne nachvollziehbaren Grund ungleich behandelt
worden sind, grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsat-
zes nach Art. 3 GG darstellen. Dies setzt aber voraus, dass sich die bisherige
Amtspraxis als willkürlich herausstellt und nicht erkennen lässt, welche der voran-
gegangenen Entscheidungen rechtmäßig und welche rechtswidrig waren (BPatG,
Beschluss vom 10. Januar 2007, Az.: 29 W (pat) 43/04, BeckRS 2007, 12252
– print24). Allein aus vorangegangenen Entscheidungen lässt sich nämlich noch
nicht der Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung ableiten, zumal es sich
um rechtswidrig vorgenommene Eintragungen oder Eintragungen vor Eintritt einer

Richtlinien- oder Rechtsprechungsänderung handeln kann. Außerdem kann sich
niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen beru-
fen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668
Rn. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und Schwabenpost). Zum
Teil enthalten die eingetragenen Marken Zusätze bzw. Kontext, in dem ,,fuck“ bzw.
,,fucking“ als Eigenname erscheint oder nicht als auf Geschlechtsverkehr bezogen.
Außerdem hat das Deutsche Patent- und Markenamt gerade in jüngerer Zeit
,,Berlin Fucking City“, ,,Fuck the Scene – FTS“, ,,Fuckass“, ,,no mindfucking nmf.“,
,,Labelfucker“, ,,Fuckyou“, ,,Fuck the System Crew“ etc. zurückgewiesen. Die inso-
weit vorliegende Inkonsistenz macht die in jüngerer Zeit erkennbar durchgehend
strenge Amtspraxis nicht willkürlich. Ohnehin verbietet sich eine pauschale Be-
trachtungsweise, da jeder Fall unter Einbeziehung seiner Besonderheiten, insbe-
sondere der Marke selbst, der Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen
werden soll, und des beteiligten Publikums, zu beurteilen ist. Die Entscheidung
über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechts-
frage und selbst Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken führen
nach ständiger Rechtsprechung somit nicht zu einem Anspruch auf Eintragung.
Dass das Österreichische Patentamt die streitgegenständliche Marke eingetragen
hat, ist allenfalls ein Indiz für das Verständnis im deutschsprachigen Raum. Dieses
Verständnis teilt der Senat nicht; gebunden ist er an ausländische Entscheidungen
ohnehin nicht.

3)    Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG be-
steht keine Veranlassung. Besondere Umstände, aufgrund derer es unbillig wäre,
die Beschwerdegebühr einzubehalten, sind weder dargetan noch anderweitig er-
sichtlich.

4) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Sie ist zur Rechtsfortbildung und zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bei der Beurteilung sexuell anzügli-
cher Wörter erforderlich, auch zur Beantwortung der Frage, ob § 8 Abs. 2 Nr. 5
MarkenG u. a. sicherstellen soll, dass sittenwidrige Kennzeichnungen nicht über
die Eintragung als Marke den Eindruck erwecken, staatlichen Schutz beanspru-
chen zu können.

Dr. Albrecht                         Kruppa                              Werner

Quelle: BPatG
Rechtsanwalt für Markenrecht Berlin