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Immer wieder schwierig ist es, die Höhe eines Lizenzschadens zu schätzen, sofern die Markeninhaberin keine Lizenzpraxis hat, die man zugrunde legen kann. In einer aktuellen Entscheidung hat das OLG Düsseldorf als Regel ein bis drei Prozent des Verkaufspreises einer Ware (hier Handy-Hülle) angenommen.

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Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 92/14

Urteil vom 12.05.2015

Leitsätze des Bearbeiters

1.  Steht fest, dass dass die  Klagemarke schuldhaft verletzt wurde, ist ein Mindestschaden zu schätzen, da es kann nicht angenommen werden kann, dass dass die Markeninhaberin die Nutzung der Marke unentgeltlich gewähren würde.

2. Wird zu dem Umfang der Nutzung der Marke nichts vorgetragen, ist lediglich die streitgegenständliche Verletzung der Schätzung zugrunde zu legen.

3. Der Lizenzschaden bewegt sich in der Regel zwischen 1 % und 3 % des Verkaufspreises

 Insoweit lässt sich lediglich das Angebot und der Verkauf einer Telefonhülle zum Verkaufspreis von 4,29 € feststellen. Dass der Beklagte mehr als eine Hülle verkauft hat, liegt nahe, ist aber nicht vorgetragen. Nur für diese einmalige Nutzung ist aber ausgeschlossen, dass ein vernünftiger Lizenznehmer eine Lizenz von 1.000,00 € gezahlt hätte. Vielmehr bewegen sich Markenlizenzen in der Regel zwischen 1% und 3% des Verkaufspreises; bei der Schätzung eines Mindestschadens ist insoweit auf den unteren Wert abzustellen, so dass sich für den einzigen dargelegten Verletzungsfall ein Mindestschaden in Höhe von 0,05 € ergibt.

Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28.05.2014 verkündete Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wird der Beklagte zu 1) über das landgerichtliche Urteil hinaus verurteilt, an die Klägerin 0,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2013 zu zahlen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
 
Gründe
A)
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke „X“. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist das Anbot einer Handy-Hülle unter Verwendung dieser Bezeichnung im Jahre 2012 auf der Plattform Amazon zum Preis von 4,29 € zuzüglich Versandkosten. In dem Angebot war als Anbieter eine Frau K., die Schwiegermutter des Beklagten, verzeichnet. Die Klägerin nahm daraufhin Frau K. in dem Rechtsstreit 2a O 108/12 wegen Markenverletzung auf Unterlassung in Anspruch. Im Rahmen einer in jenem Rechtsstreit durchgeführten psychiatrischen Begutachtung gab Frau K. an, sie sei ‚Geschäftsführerin‘ für den Internetverkauf, kümmere sich aber nicht darum, das mache alles der jetzige Beklagte. Nachdem Frau K. am 29.05.2013 verstarb, nahm die Klägerin die gegen sie gerichtete Klage zurück.

Soweit in der Berufungsinstanz von Relevanz, macht die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der im Rechtsstreit gegen Frau K. angefallenen Kosten in Höhe von 10.059,18 € sowie eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von 1.000,00 € geltend.

Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Die Markenverletzung durch den Beklagten zu 1) sei nicht kausal für die Verpflichtung der Klägerin, die Prozesskosten aus dem Verfahren gegen Frau K. zu tragen. Für eine Schätzung des Schadensersatzanspruches fehle jegliche Grundlage. Es sei nicht ersichtlich, in welchem Umfang der Beklagte die Marke benutzt habe.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie meint, der Beklagte hafte für die „falsche Impressumangabe“ und sei daher für die im Rechtsstreit gegen Frau K. angefallenen Kosten verantwortlich. Zu Angaben über den Umfang der Verletzungshandlungen sei sie nicht in der Lage. Das Gericht habe aber einen Mindestschaden schätzen müssen. Sie sei generell zur Lizenzierung nicht bereit, würde aber jedenfalls 1.000,00 € verlangen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu 1) zu verurteilen,

1.              der Klägerin die Prozesskosten für den Rechtsstreit gegen Frau K. in Höhe von 10.059,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

2.              an die Klägerin eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von 1.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es zu seinen Gunsten ergangen ist. Das Impressum sei nicht unrichtig gewesen. Es sei auch nicht ersichtlich, warum der Prozess gegen Frau K. der Ermittlung des Beklagten gedient haben solle.

Der Senat hat die Akte 2a O 108/12 des Landgerichts Düsseldorf beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. In der mündlichen Verhandlung hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Klage gegen Frau K. ursprünglich begründet gewesen sein dürfte, weshalb der Rechtsstreit insoweit hätte für erledigt erklärt werden können. Der Beklagte hafte auch nicht als Gesamtschuldner für die in einem anderen Rechtsstreit angefallenen Kosten, zumal hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs kein Gesamtschuldverhältnis bestehe. In Ermangelung von Angaben zum Umfang der Verletzungshandlung könne der Senat einer Schadensschätzung nur einen einzigen Verletzungsfall zu Grunde legen, da nur dieser vorgetragen sei. Bei einer üblichen Lizenz von 1% des Verkaufspreises belaufe sich der Schaden dann auf 0,05 €.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B)
Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache weitestgehend ohne Erfolg. Erfolg hat sie nur insoweit, als der Klägerin dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1) zusteht, weshalb ihr wenigstens ein nominaler Mindestschadensersatz zuzusprechen war.

(1) Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten des Prozesses gegen Frau K., denn die Kostenbelastung der Klägerin mit diesen Kosten beruht nicht unmittelbar auf einer Verletzungshandlung des Beklagten zu 1), sondern auf der Entscheidung der Klägerin, die Klage gegen Frau K. zurückzunehmen. Als selbstständiger Verletzer haftet der Beklagte zu 1) nicht gesamtschuldnerisch mit der verstorbenen Frau K.; aber selbst wenn dies der Fall wäre, würde er für die Prozesskosten eines Verfahrens gegen einen anderen Gesamtschuldner nicht einstehen müssen.

(2) Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der Beklagte nicht etwa ein falsches Impressum verwendet und sie so zur Erhebung einer unbegründeten Klage gegen seine Schwiegermutter veranlasst. Nach der von ihr selber in den Rechtsstreit eingeführten Angabe der Frau K. war sich diese bewusst, dass sie rechtlich die Verantwortliche des Internetshops war und dessen praktischen Betrieb dem Beklagten überlassen hatte. Das ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass Frau K. für den Shop rechtlich verantwortlich war und selbst Vertragspartnerin der Käufer wurde. Dass der Beklagte daneben ebenfalls Verletzer war, steht dem nicht entgegen. Vielmehr haftet der Inhaber eines Geschäfts für Schutzrechtverletzungen, die in seinem Betrieb begangen werden. Da die Schwiegermutter des Beklagten wusste und wollte, dass sie rechtlich für den Internethandel des Beklagten zu 1) einzustehen hat, haftete sie auch für die im Rahmen dieses Handels von dem Beklagten zu 1) begangene Schutzrechtsverletzungen, jedenfalls auf Unterlassung.

Daraus folgt in erster Linie, dass die Klägerin ihre Kostentragungspflicht dadurch ausgelöst hat, dass sie ohne Not die Klage gegen Frau K. zurückgenommen hat. Hätte sie den Tod der Frau K. in Bezug auf den Unterlassungsanspruch als erledigendes Ereignis angesehen, wären die Kosten im Falle einer Fortsetzung des Rechtsstreits der Beklagten jenes Rechtsstreites auferlegt worden, genauer deren Erben, namentlich der früheren Beklagten zu 3). Für die nicht sachgerechte Prozessführung der Klägerin muss der Beklagte aber nicht einstehen.

(3) Die Durchführung des Verfahrens gegen Frau K. war auch nicht erforderlich, um die Person des Beklagten zu 1) zu ermitteln, erst die – wie ausgeführt – unnötige Klagerücknahme hat die Kostentragungspflicht der Klägerin ausgelöst.

(4) Für den Unterlassungsanspruch, der Gegenstand der gegen Frau K. gerichteten Klage war, haftete diese nicht gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1), sondern dieser Anspruch besteht gegenüber jedem Unterlassungsschuldner selbständig. Aber selbst, wenn dem nicht so wäre, würde der Anspruch gegen den Beklagten nicht die Prozesskosten erfassen, die bei der Klägerin bei sachgerechter Prozessführung auch gar nicht angefallen wären (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 426 Rn. 6).

(5) Allerdings steht der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten zu 1) zu. Dies hat auch das Landgericht angenommen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils zur Haftung des Beklagten zu 1) Bezug genommen werden.

Steht aber fest, dass der Beklagte die Klagemarke schuldhaft verletzt hat, ist ein Mindestschaden zu schätzen, denn es kann nicht angenommen werden, dass die Klägerin die Nutzung ihrer Marke unentgeltlich gewähren würde.

Dies rechtfertigt jedoch lediglich einen Anspruch auf Zahlung von 0,05 €, denn zu Recht hat das Landgericht hervorgehoben, das über den Umfang der Zeichenverwendung durch den Beklagten zu 1) nichts vorgetragen ist. Insoweit lässt sich lediglich das Angebot und der Verkauf einer Telefonhülle zum Verkaufspreis von 4,29 € feststellen. Dass der Beklagte mehr als eine Hülle verkauft hat, liegt nahe, ist aber nicht vorgetragen. Nur für diese einmalige Nutzung ist aber ausgeschlossen, dass ein vernünftiger Lizenznehmer eine Lizenz von 1.000,00 € gezahlt hätte. Vielmehr bewegen sich Markenlizenzen in der Regel zwischen 1% und 3% des Verkaufspreises; bei der Schätzung eines Mindestschadens ist insoweit auf den unteren Wert abzustellen, so dass sich für den einzigen dargelegten Verletzungsfall ein Mindestschaden in Höhe von 0,05 € ergibt.

Dem kann die Klägerin nicht entgegen halten, der Beklagte habe keine Angaben zum Umfang der Zeichennutzung gemacht, denn die Klägerin hat ihn auch zu keinem Zeitpunkt zur Auskunftserteilung aufgefordert. Der Anspruch besteht daher nur im zuerkannten Umfang.

(6) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

(7) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Das Unterliegen des Beklagten zu 1) ist ganz geringfügig und rechtfertigt eine Kostenbelastung nicht. Ebenso wenig besteht Veranlassung, die erstinstanzliche Kostenentscheidung abzuändern. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Streitwert:              11.059,18 Euro