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Recht am eigenen Bild – Filmbericht Filmaufnahme auf öffentlichem Weg – OLG Brandenburg 1 U 26/11

Brandenburgisches Oberlandesgericht 1. Zivilsenat
Urteil vom 21.05.2012
1 U 26/11

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 31. August 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam – 2 O 201/11 – abgeändert, die einstweilige Verfügung vom 12. Juli 2011 aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

 

Der Verfügungskläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe

I.

Der Verfügungskläger nimmt die Verfügungsbeklagte, die das private Stadtfernsehen der Stadt … betreibt, im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung von Filmaufnahmen und/oder deren Verwendung in Anspruch. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Mit Beschluss vom 21. Oktober 2011 hat das Landgericht Potsdam den Tatbestand dahingehend berichtigt, dass zwischen den Parteien nicht unstreitig ist, dass der Verfügungskläger den Kameramann der Verfügungsbeklagten zunächst verbal aufgefordert hat, die Filmaufnahmen zu stoppen.

Das Landgericht hat der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, von dem Verfügungskläger ohne sein Einverständnis Filmaufnahmen während seines Aufenthaltes auf den Privatgrundstücken …straße 20 und 21, H… zu fertigen und/oder für eine weitere Berichterstattung zu verwenden, und diese einstweilige Verfügung im angefochtenen Urteil aufrechterhalten. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Verfügungsbeklagte mit der Anfertigung der Filmaufnahmen am 30. Juni 2011 das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers rechtswidrig verletzt habe. Dem Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers sei bei einer Gesamtabwägung der Umstände Vorrang vor dem Recht der Verfügungsbeklagten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einzuräumen. Da die Verfügungsbeklagte keine entsprechende Unterlassungserklärung abgegeben habe, bestehe hinsichtlich der Anfertigung von Filmaufnahmen Wiederholungsgefahr. Hinsichtlich der Verwendung der Aufnahmen genüge im Hinblick auf das vorangegangene Verhalten der Verfügungsbeklagten die gegebene Erstbegehungsgefahr.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsbeklagten, mit der sie geltend macht, dass dem Verfügungskläger hinsichtlich des bloßen Anfertigens von Filmaufnahmen im Rahmen von Recherchen kein Unterlassungsanspruch zustünde, da in diesem Vorbereitungsstadium einer Berichterstattung dem Interesse der Presse an Informationsbeschaffung Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers einzuräumen sei. Soweit das Landgericht seine Entscheidung darauf gestützt habe, dass der Verfügungskläger den Kameramann der Verfügungsbeklagten zunächst vergeblich aufgefordert habe, die Filmaufnahmen zu stoppen, sei bereits erstinstanzlich vorgetragen und glaubhaft gemacht worden, dass der Verfügungskläger die Aufnahmen ohne vorherige Aufforderung unterbunden habe, indem er zunächst die Hand vor das Objektiv gehalten und dem Kameramann sodann im Rahmen eines Handgemenges die Kamera weggenommen habe. Ebenso wenig treffe es zu, dass die Verfügungsbeklagte im Rahmen ihrer Berichterstattung Bilder von der Lebensgefährtin des Sohnes des Verfügungsklägers nur unzureichend verpixelt ausgestrahlt habe.

 Die Verfügungsbeklagte beantragt,

 unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 31. August 2011, Az. 2 O 201/11, die einstweilige Verfügung vom 12. Juli 2011 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Verfügungskläger hat keinen Anspruch darauf, der Verfügungsbeklagten untersagen zu lassen, ohne sein Einverständnis Filmaufnahmen von ihm während seines Aufenthaltes auf dem Privatgrundstück …straße 20 und 21 in H… zu fertigen und/oder für eine weitere Berichterstattung zu verwenden.

1.) Anspruch auf Unterlassung der Anfertigung von Filmaufnahmen

 Dem Verfügungskläger steht kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Anfertigung von Filmaufnahmen seiner Person während seines Aufenthaltes auf dem Privatgrundstück …straße 20 und 21 in H… gemäß §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu. Die für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 2 BGB analog vorausgesetzte Besorgnis von (weiteren) Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers ist nicht gegeben.

Die erforderliche Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr liegt vor, wenn eine auf Tatsachen gegründete objektive ernstliche Besorgnis von (weiteren) Störungen besteht, wobei eine vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr begründet (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 1004 Rdnr. 32 m. w. N.). Von einer solchen vorangegangenen rechtswidrigen Beeinträchtigung kann jedoch nicht ausgegangen werden. Der Verfügungskläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsbeklagte Filmaufnahmen getätigt hat, die sein Persönlichkeitsrecht rechtswidrig verletzt haben. Zwar ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass ein öffentliches Interesse an gezielten Aufnahmen des Verfügungsklägers nicht ersichtlich ist. Soweit der Verfügungskläger geltend macht, dass das Berichterstattungsinteresse der Verfügungsbeklagte gar nicht auf das Grundstück, sondern auf seine Person gerichtet gewesen sei, und der Kameramann gezielt Aufnahmen davon getätigt hätte, wie er sich gegen die Aufnahmen wehrt, ist der diesbezügliche klägerische Vortrag jedoch nicht glaubhaft gemacht worden, da der Senat eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit dieses Vorbringens nicht feststellen kann.

Ob der Kameramann der Verfügungsbeklagten gezielt den Verfügungskläger gefilmt hat, obwohl er von diesem aufgefordert worden ist, dies zu unterlassen, ist zwischen den Parteien bereits erstinstanzlich streitig gewesen. Der Verfügungskläger hat hierzu vorgetragen, dass er den Kameramann mehrfach aufgefordert habe, die auf seine Person gerichteten Filmaufnahmen zu stoppen und sich zur Glaubhaftmachung auf die eidesstattliche Versicherung seines Sohnes berufen. Die Verfügungsbeklagte hat den Sachverhalt in ihrer Erwiderung dagegen dahingehend geschildert, dass der Verfügungskläger auf den Kameramann zugekommen sei, als dieser das Grundstück filmte, seine Hand sofort vor das Objektiv der Kamera gehalten habe und ihm die Kamera von der Schulter gerissen habe und dies durch die eidesstattliche Versicherung ihres Kameramannes vom 10. Oktober 2011 glaubhaft gemacht. Zu keinem Zeitpunkt sei beabsichtigt gewesen, erkennbare Bilder von dem Verfügungskläger zu fertigen, wie der Kameramann der Verfügungsbeklagten ebenfalls an Eides statt versichert hat. Der Tatbestand ist demzufolge auch dahingehend berichtigt worden, dass zwischen den Parteien nicht unstreitig sei, dass der Verfügungskläger den Kameramann der Beklagten zunächst verbal aufgefordert habe, die Filmaufnahmen zu stoppen.

Weder für die vom Verfügungskläger vorgetragene Sachverhaltsschilderung, noch für die diesbezüglichen Behauptungen der Verfügungsbeklagten besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Es kann daher nicht unterstellt werden, dass die Person des Verfügungsklägers und nicht das Grundstück Gegenstand der Filmaufnahmen war, zumal der Verfügungskläger nicht etwa von dem Kameramann verfolgt worden ist, sondern sich unstreitig selbst durch das Eingangstor auf den außerhalb des umfriedeten Bereichs gelegenen öffentlich zugänglichen Grundstücksteil begeben hat, um die Aufnahmen zu verhindern, anstatt sich der Kamera zu entziehen.

Soweit unstreitig Filmaufnahmen von dem Verfügungskläger entstanden sind, während der Kameramann das Grundstück gefilmt hat, hat dieser derartige Aufnahmen zu dulden. Insoweit führt die zwischen den beeinträchtigten Grundrechtspositionen vorzunehmende Abwägung dazu, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) hinter dem Recht der Verfügungsbeklagten auf freie Berichterstattung (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) zurückzutreten hat.

Zwar erstreckt sich das zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehörende Recht am eigenen Bild über den Anwendungsbereich der §§ 22, 23 KUG hinaus – die allein Schutz vor einer widerrechtlichen Verbreitung oder öffentlichen Zuschaustellung von Bildern bieten – auch auf die bloße Anfertigung von Bildnissen (vgl. BGH, Urt. v. 25. April 1995, Az. VI ZR 272/94, zitiert nach juris Rdnr. 15). Zum Recht am eigenen Bild gehört daher auch das Recht, selbst zu bestimmen, ob und wobei man fotografiert oder gefilmt wird. Ob mit Filmaufnahmen jedoch im Einzelfall auch ein rechtswidriger Eingriff in diese grundrechtlich geschützte Rechtsposition einhergeht, hängt von einer Gesamtabwägung der konkreten Umstände und der außerdem betroffenen Grundrechtspositionen ab (BGH, a. a. O.). Im Hinblick auf die Pressefreiheit ist hierbei in besonderem Maße das Erfordernis der Informationsbeschaffung zur Befriedigung des Berichterstattungsinteresses der Öffentlichkeit zu beachten, wobei sich im Zeitpunkt der Aufnahme eines Bildnisses die Frage nach der Zulässigkeit der Verbreitung unter Umständen noch nicht abschließend beantworten lässt, weshalb bei der Abwägung nicht allein hierauf abgestellt werden kann (vgl. KG, Urt. v. 4. Dezember 2007, Az. 9 U 21/07, zitiert nach juris Rdnr. 46; OLG Frankfurt, Urt. v. 25. August 1994, Az. 6 U 296/93, zitiert nach juris Rdnr. 21; OLG Hamburg, AfP 1992, 279, 280). Dabei ist grundsätzlich von der Rechtstreue eines Pressevertreters und der Wahrung der Maßgaben der §§ 22, 23 KUG bei einer etwaigen Veröffentlichung auszugehen (vgl. Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., 7. Kapitel Rdnr. 23).

Die Verfügungsbeklagte kann sich bei der Fertigung von Aufnahmen der Grundstücke …straße 20 und 21 in H… auf ihr Recht auf freie Berichterstattung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Es besteht ein schützenswertes Interesse der Verfügungsbeklagten daran, Aufnahmen von diesen Grundstücken zu fertigen, da im Zusammenhang mit der dort entdeckten Cannabisplantage und dem gegen den Sohn des Verfügungsklägers gerichteten Strafverfahren ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse an diesen Grundstücken besteht. Bei der Entdeckung der Plantage und dem darauf folgenden Prozess handelt es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des § 23 KUG. Der Begriff der Zeitgeschichte beschränkt sich nicht auf Vorgänge historischer oder politischer Bedeutung, sondern wird vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt (vgl. BGH, Urt. v. 22. November 2011, Az. VI ZR 26/11, zitiert nach juris Rdnr. 29 m. w. N.). Straftaten gehören zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 5. Juni 1973, Az. 1 BvR 536/72, Rdnr. 63). Die Verfügungsbeklagte hat nachvollziehbar dargetan und durch die eidesstattliche Versicherung ihres Kameramanns auch glaubhaft gemacht, dass ein Interesse der Öffentlichkeit daran besteht, ob der zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilte Sohn des Verfügungsklägers auf dem Grundstück weiterhin seinen Geschäften nachgeht. Es besteht daher ein öffentliches Interesse an einer Berichterstattung über den ehemaligen Standort der Cannabisplantage und das Geschäftsgrundstück des Sohnes.

Dem steht eine nur geringfügige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers gegenüber. Das Grundstück …straße 20/21 ist für jedermann von außen einsehbar, sodass jeder, der sich auf diesem Grundstück bewegt, in Kauf nehmen muss, dabei gegebenenfalls von Dritten beobachtet zu werden. Es handelt sich auch nicht um ein Wohngrundstück oder einen anderen „privaten Rückzugsort“, an dem derjenige, der sich dort aufhält, erkennbar frei von öffentlicher Beobachtung sein will. Etwaige Aufnahmen von diesem Grundstück beeinträchtigen den Verfügungskläger daher nicht in seiner „Privatsphäre“. Thematisch umfasst die „Privatsphäre“ die Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehaltes typischerweise als „privat“ eingestuft werden, weil ihre Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst; räumlich erstreckt sich der Schutz auf einen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen kann, sich entspannen oder auch gehen lassen kann, um einen Raum, in welchem er die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und der damit erzwungenen Selbstkontrolle zu sein (vgl. Wenzel/von Stobl-Albeg, a. a. O., 8. Kapitel, Rdnr. 65 u. 66 mit Beispielen). Der Verfügungskläger ist daher während seines Aufenthaltes auf dem Grundstück weder thematisch, noch räumlich in seiner „Privatsphäre“ betroffen.

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Der Kameramann hat die Aufnahmen unstreitig auch von für jedermann zugänglichem Straßenland aus gefertigt, sodass offen bleiben kann, in wessen Eigentum sich der Grund und Boden tatsächlich befindet. Jedenfalls handelt es sich nicht um ein eingefriedetes Privatgrundstück, sondern um einen Bereich, der dem allgemeinen Verkehr geöffnet und offensichtlich teilweise sogar dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Auch eine heimliche Anfertigung von Aufnahmen oder eine belästigende Verfolgung durch den Kameramann liegt nicht vor. Denn selbst nach dem Vortrag des Verfügungsklägers hat sich dieser seinerseits zu dem Kameramann begeben, um die Aufnahmen zu unterbinden und nicht umgekehrt.

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Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers ist deshalb nicht derart gewichtig, dass die schutzwürdigen Belange der Verfügungsbeklagten dahinter zurückzustehen hätten. Im Hinblick auf das erhebliche öffentliche Interesse an dem Grundstück würde ein entsprechendes Verbot vielmehr eine unverhältnismäßige Einschränkung der Pressefreiheit ergeben, zumal der Verfügungskläger selbst – jedenfalls zunächst – vorgetragen hat, dass er sich aus geschäftlichen Gründen täglich auf dem Grundstück aufhalte. Der Verfügungsbeklagten ist es bei der Sammlung von Filmmaterial daher nicht zuzumuten, solange abzuwarten, bis sich keine Personen mehr auf dem Grundstück befinden. Vielmehr muss der Verfügungskläger gegebenenfalls in Kauf nehmen, gefilmt zu werden, während er sich auf diesem Grundstück aufhält, da er in diesem Zusammenhang lediglich „Beiwerk“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG darstellt. Unter diesen Voraussetzungen wäre auch eine Veröffentlichung der Aufnahmen ohne seine Einwilligung möglich. Als „Beiwerk“ in diesem Sinne ist eine abgebildete Person dann anzusehen, wenn die Örtlichkeit den Gehalt des Bildes prägt und die Personenabbildung derart untergeordnet ist, dass sie auch entfallen könnte, ohne dass Gegenstand und Charakter des Bildes sich verändern (vgl. Wenzel/von Stobl-Albeg, a. a. O., 8. Kapital, Rdnr. 48 m. w. N.). Davon ist hier auszugehen, solange sich die Aufnahmen auf die Grundstücke beziehen. Die berechtigten Interessen einer als „Beiwerk“ abgebildeten Person sind bei einer Veröffentlichung gegebenenfalls durch entsprechende Maßnahmen der Anonymisierung zu wahren (vgl. § 23 Abs. 2 KUG).

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Es liegen auch keine Umstände vor, die unabhängig von den streitgegenständlichen Aufnahmen die ernstliche Besorgnis einer rechtswidrigen Beeinträchtigung begründen würden. Soweit der Verfügungskläger diesbezüglich vorgetragen hat, dass die Verfügungsbeklagte auch bereits von der Lebensgefährtin des Sohnes gezielt Aufnahmen auf den Grundstücken …straße 20/21 gemacht habe, hat sie dieses Vorbringen nicht glaubhaft gemacht. Zwar hat sie sich diesbezüglich zur Glaubhaftmachung auf die eidesstattliche Versicherung der S… S… berufen, in der diese jedoch lediglich versichert hat, dass sie im April 2010 während der Verhandlungstage im Rahmen des Prozesses gegen ihren Lebensgefährten wiederholt gegen ihren Willen von dem Kameramann der Verfügungsbeklagten gefilmt worden sei. Von Aufnahmen ihrer Person auf den Grundstücken ist darin nicht die Rede. Dass die Verfügungsbeklagte im Rahmen der Berichterstattung über den Prozess gegen den Sohn des Verfügungsklägers auch Bildmaterial angefertigt hat, auf dem dessen Lebensgefährtin zu sehen ist, ist unstreitig und beruht auf dem Umstand, dass diese den Sohn des Verfügungsklägers zur gerichtlichen Hauptverhandlung begleitet hat. Dass die Verfügungsbeklagte berechtigt war, hierüber zu berichten, steht außer Frage. Die Umstände der Filmaufnahmen sind daher nicht vergleichbar.

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2.) Anspruch auf Unterlassung der Verwendung von zukünftigen Filmaufnahmen

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Einem Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG hinsichtlich der Verwendung von Aufnahmen des Verfügungsklägers auf dem Grundstück …straße 20 und 21 in H… steht schon entgegen, dass die erforderliche Gesamtabwägung nicht in Bezug auf die Verwendung von Aufnahmen vorgenommen werden kann, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen noch offen ist, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2007, Az. VI ZR 265/06, zitiert nach juris Rdnr. 14). Ein solcher Unterlassungsanspruch wäre nur denkbar, wenn jede erdenkliche Verwendung von Filmaufnahmen, auf denen der Verfügungskläger zu sehen ist, als rechtwidrig anzusehen wäre. Im Hinblick auf die vielgestaltigen Möglichkeiten sowohl in Bezug auf die Beschaffenheit der Aufnahmen, als auch die möglichen zukünftigen Umstände der Berichterstattung ist dies jedoch nicht der Fall. Diesbezüglich kann auf die vorhergehenden Ausführungen zu Ziffer 1.) verwiesen werden.

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Ferner fehlt es diesbezüglich erst recht an der erforderlichen Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr. Eine das Vorliegen der Wiederholungsgefahr indizierende Berichterstattung liegt nicht vor. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Verfügungsbeklagte bisher keine Bilder des Verfügungsklägers für ihre Berichterstattung verwendet hat. Auch die weiteren Umstände des Falles begründen eine solche ernstliche Besorgnis entgegen der vom Landgericht hierzu vertretenen Auffassung nicht. Soweit das Landgericht diesbezüglich darauf abgestellt hat, dass die Verfügungsbeklagte bereits in zwei vergleichbaren Fällen Aufnahmen der Lebensgefährtin des Sohnes des Verfügungsklägers für die Berichterstattung verwendet habe, ohne diese Person überhaupt oder hinreichend unkenntlich gemacht zu haben, ist dieses Vorbringen des Verfügungsklägers bereits nicht hinreichend substantiiert worden, darüber hinaus weder unstreitig, noch von dem Verfügungskläger glaubhaft gemacht.

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So hat der Verfügungskläger erstinstanzlich in seinem Schriftsatz vom 19. August 2011 vorgetragen, dass die Lebensgefährtin seines Sohnes während ihres Aufenthaltes auf den streitgegenständlichen Grundstücken mehrfach gegen ihren Willen gefilmt worden und im Rahmen der Berichterstattung nur unzureichend verpixelt worden sei. Mit ihrer Berufungsbegründung hat die Verfügungsbeklagte diesen Vortrag jedoch bestritten und zur Glaubhaftmachung ein „screenshot“ der nach ihrem Vortrag einzigen Aufnahme der Lebensgefährtin vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass diese im Rahmen der Berichterstattung über die gegen den Sohn gerichtete Hauptverhandlung jedenfalls verpixelt worden ist.

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Dieser Vortrag ist ungeachtet dessen zu berücksichtigen, dass er erstmals in der Berufungsinstanz erfolgt ist. Dabei kann offen bleiben, ob im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine Präklusion von Tatsachenvorbringen gemäß §§ 530, 531 ZPO grundsätzlich ausgeschlossen ist, weil maßgebender Zeitpunkt für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung der Schluss der mündlichen Verhandlung ist und neues Vorbringen daher zu berücksichtigen ist, wenn es sofort mindestens glaubhaft gemacht werden kann (so zum Beispiel Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 925 Rdnr. 12). Denn jedenfalls ist den Besonderheiten des Eilverfahrens bei der Beurteilung, was nachlässig im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ist, Rechnung zu tragen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.07.2010, Az. 2 U 36/10, zitiert nach juris Rdnr. 44 m. w. N.; Thüringer OLG, Urt. v. 27.10.2004, Az. 2 U 350/04, zitiert nach juris). Danach liegt eine die Zulassung des Vorbringens ausschließende Nachlässigkeit hier nicht vor. Der Verfügungskläger hatte seinerseits erstmals mit Schriftsatz vom 19. August 2011 vorgetragen, dass die Verfügungsbeklagte Aufnahmen der Lebensgefährtin seines Sohnes gemacht habe, die nicht hinreichend verpixelt gewesen seien. Der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten hatte mithin vor dem Termin am 22. August 2011 keine Gelegenheit, dieses Vorbringen zuverlässig zu überprüfen. Die Beantragung einer Schriftsatzfrist schied aufgrund des Charakters des Eilverfahrens aus.

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Aufgrund dieses Bestreitens hätte der Verfügungskläger nun seinerseits konkret vortragen und glaubhaft machen müssen, wo die Lebensgefährtin von der Verfügungsbeklagten gefilmt worden ist und wann diese Aufnahmen ausgestrahlt worden sind, ohne hinreichende Maßnahmen gegen ihre Erkennbarkeit zu treffen. Der Verfügungskläger hat hierauf jedoch lediglich erwidert, dass der Ausdruck nicht die gemeinte Berichterstattung wiedergebe; vielmehr sei die Lebensgefährtin des Sohnes mehrfach während ihres Aufenthaltes auf den streitgegenständlichen Grundstücken gegen ihren Willen gefilmt und im Rahmen der Ausstrahlung nur unzureichend verpixelt worden. Wie bereits oben ausgeführt, bezieht sich die eidesstattliche Versicherung der Lebensgefährtin jedoch auf Aufnahmen während der Verhandlungstage im Rahmen des Prozesses gegen ihren Lebensgefährten und nicht auf Aufnahmen auf dem Grundstück. Es bleibt damit weiterhin unklar, wo die Verfügungsbeklagte welche Aufnahmen getätigt und wann sie diese ausgestrahlt haben soll. Danach kann nicht festgestellt oder als glaubhaft gemacht angesehen werden, dass Aufnahmen veröffentlicht worden sind, auf denen die Lebensgefährtin erkennbar gewesen ist. Erkennbar ist eine abgebildete Person, wenn sie begründeten Anlass hat anzunehmen, dass sie nach Art der Abbildung erkannt werden könnte (BGH, NJW 1971, 698, 670). Der Vortrag der Parteien hierzu ist streitig. Da die Aufnahmen nicht vorliegen, vermag sich der Senat hierzu keine eigene Überzeugung zu verschaffen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine unzureichende Verpixelung vorlag, kann jedenfalls nicht festgestellt werden. Aus der eidesstattlichen Versicherung der Lebensgefährtin ergibt sich lediglich, dass sie „von Dritten explizit auf die Filmbeiträge des S… angesprochen worden sei“.

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Darüber hinaus erscheint ohnehin zweifelhaft, ob die Art und Weise, wie die Verfügungsbeklagte mit Bildmaterial einer anderen Person in ganz anderem Zusammenhang umgegangen ist, eine Wiederholungsgefahr in Bezug auf den Verfügungskläger zu begründen vermag. Die Verfügungsbeklagte hat durch die eidesstattlichen Versicherungen des Kameramanns vom 16. August 2010 und des Redaktionsleiters vom 13. Januar 2012 glaubhaft gemacht, dass keine Absicht bestand, Bildmaterial des Verfügungsklägers zu verwenden. Es liegen keine glaubhaft gemachten Umstände vor, die überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, dass dieses Vorbringen nicht der Wahrheit entspricht. Soweit die Verfügungsbeklagte im Rahmen ihrer Berichterstattung über den Prozess gegen den Sohn des Verfügungsklägers Aufnahmen verwendet hat, auf denen dessen Lebensgefährtin abgebildet war, sind die Umstände – wie bereits ausgeführt – nicht mit denen vergleichbar, unter denen die hier streitigen Aufnahmen gefertigt worden sind.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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Streitwert: 10.000,00 €