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Wir betreuen regelmäßig Mandanten, die eine Abmahnung erhalten haben. Dies betrifft oftmals Ebay-Shops, beispielsweise wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen. Gekennzeichnet sind diese Abmahnungen oftmals dadurch, dass ein Konkurrent des Abgemahnten mit Hilfe eines ihm bekannten Anwalts die Angebote seiner Wettbewerber prüft und dann eine Vielzahl von Abmahnungen versendet, um sich eine zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen. Es sind hier Fälle bekannt, wo es dann zu Teilungen der Gebühren kommt. Unter anderem kann In solchen Fällen kann eine Abmahnung rechtsmißbräuchlich sein.

Das Kammergericht in Berlin hat in einer Entscheidung vom 8. Juli 2008 einige Merkmale des Rechtsmißbrauchs definiert. Anhaltspunkte hierfür kann eine Vielzahl von Abmahnungen sein, die Freistellung des Auftraggebers vom Kostenrisiko oder das Vorliegen eines Prozessfinanzierers. Im Falle des Rechtsmißbrauchs kann der Unterlassungsanspruch nicht weiter verfolgt werden.

Sollten Sie eine Abmahnung erhalten haben, wenden Sie sich bitte an einen Anwalt, um die Berechtigung des Anspruchs prüfen zu können. Wir stehen Ihnen hierfür gerne zur Verfügung.

 

Die Entscheidung des Kammergerichts (Az. 5 W 34/08)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin vom 12. Dezember 2007 – 97 O 247/07 – wird bei einem Wert des Beschwerdeverfahrens bis zu 1.200 EUR auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Gründe

I.

 

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts ist gemäß § 91 a Abs. 2 i.V. mit § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Nachdem die Parteien das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung für erledigt erklärt hatten, waren der Antragstellerin gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO nach dem bisherigen Sach- und Streitstand sowie billigem Ermessen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie voraussichtlich unterlegen wäre. Der Senat sieht die Geltendmachung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs durch die Antragstellerin mit dem Landgericht als rechtsmissbräuchlich und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung daher als unzulässig an.

 

1. Nach § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Von einem Missbrauch im Sinne besagter Vorschrift ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind (BGH GRUR 2006, 244, Rdn. 16 – MEGA SALE; dazu auch Hess, jurisPR-WettbR 6/2006, Anm. 6), so etwa das Interesse, Gebühren zu erzielen oder den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten oder ihn generell zu schädigen (vgl. Bergmann in: Harte/Henning, UWG, § 8 Rdn. 313, m.w.N.). Hierbei setzt die Annahme eines Missbrauchs nicht voraus, dass die Rechtsverfolgung ohne jedwede wettbewerbsrechtlichen Interessen betrieben wird. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Absichten hinter den vom Gesetzgeber missbilligten Zielen ist nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. BGH und Bergmann jeweils a.a.O m.w.N.).

Das Vorliegen eines Missbrauchs ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung und Abwägung der gesamten Umstände festzustellen. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die in der Regel aber nur aus den äußeren Umständen erschlossen werden können. Zu diesen Umständen können die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes und das Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß zählen. Vor allem ist aber auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung des konkreten und anderer Verstöße abzustellen; auch das Verhalten sonstiger Anspruchsberechtigter ist in die Betrachtung einzubeziehen (BGHZ 144, 165, 170 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung).

 

Die Frage, ob ein Missbrauch vorliegt, ist – wie jede Prozessvoraussetzung – von Amts wegen zu prüfen (BGH GRUR 2002, 715, 717 – Scanner-Werbung). Die Folgen eines non liquet treffen den Beklagten, der deshalb gut daran tut, dem Gericht die notwendigen Grundlagen für die Amtsprüfung zu verschaffen (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 13 Rdn. 54). Gelingt es ihm damit, die grundsätzlich für die Klagebefugnis sprechende Vermutung zu erschüttern, so hat der Kläger seinerseits substantiiert die aufgekommenen Verdachtsgründe zu widerlegen (vgl. BGH GRUR 2006, 243, Rdn. 21 – MEGA SALE). Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Missbrauchs trifft den Beklagten (Senat GRUR-RR 2008, 212). Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kommt es insoweit – wie bei den Prozessvoraussetzungen allgemein (vgl. OLG Hamm FamRZ 1998, 687; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 26. Auflage, § 920 Rn. 9 mit weiteren Nachweisen) – allein auf eine Glaubhaftmachung an (OLG Koblenz GRUR 1979, 496), d. h. auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Missbrauchs.

 

2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist im vorliegenden Fall von einem missbräuchlichen Vorbringen der Antragstellerin auszugehen.

 

a. Der Antragsgegner hat mit seiner Widerspruchsbegründung vom 24. August 2007 hierfür hinreichend Anhaltspunkte dargetan:

 

Die erhebliche Zahl von Verfahren, mit denen die Antragstellerin wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche namentlich vor den Landgerichten Berlin, Potsdam und Hamburg betreibt, reicht allerdings allein – wie auch die Antragsgegnerin erkennt – für einen solchen Schluss nicht aus. Zwar kann eine Missbräuchlichkeit dann vorliegen, wenn eine unverhältnismäßig umfangreiche Abmahntätigkeit in einem Branchenbereich vorliegt, in dem der Abmahner selbst nur marginal tätig ist (vgl. BGH GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; Teplitzky a.a.O. Rdn. 55a). Die Antragstellerin, die zehn Ladengeschäfte in verschiedenen deutschen Großstädten betreibt, ist aber nicht nur „marginal“ im vorbezeichneten Sinne tätig (vgl. auch Senat, Beschl. v. 9.10.2007 – 5 W 264/07), selbst wenn sie online nur wenige Schuhe verkaufen sollte.

Hier kommt jedoch entscheidend dazu, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit der M. – … GmbH (im Folgenden: M.) zusammen arbeitet, deren vormaliger Geschäftsführer H. F. eine kostenfreie Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche durch die M. unter Einschaltung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bewarb, wobei anfallende Vertragsstrafen zwischen dem Kunden und der M. hälftig geteilt werden sollten. Der Administrator der Internetseite „m.-p…de“ ist ein Verwandter des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin und gibt dessen Kanzleianschrift als seine Adresse an. Über den auf den Namen des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin angemeldeten account „H.“ wurde für ein „kostenneutrales“ Vorgehen (der M.) gegen „Schwarzverkäufer“ geworben.

Rechtsmissbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist anzunehmen, wenn ein Rechtsanwalt den Auftraggeber ganz oder teilweise vom Kostenrisiko freistellt (OLG Frankfurt a. M. GRUR-RR 2007, 56, 57; Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 8 Rn. 4.12). Gleiches muss gelten, wenn im Zusammenwirken von Rechtsanwalt und Prozessfinanzierer dem Mandanten eine kostenfreie Verfolgung von Unterlassungsansprüchen nebst einer Profitmöglichkeit (hier: aus anfallenden Vertragsstrafen) angeboten wird. Bei einem solchen Modell der Rechtsverfolgung steht zu vermuten, dass die Ansprüche weniger aus Gründen des Wettbewerbs geltend gemacht werden als zur Erzielung von Einnahmen des Gläubigers und seines Anwalts.

b. Die dargestellten Erkenntnisse zur Akquise von Mandaten des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin machen es wahrscheinlich, dass dem gehäuften gerichtlichen Vorgehen der Antragstellerin eine Kostenfreistellungsabrede zugrunde liegt. Um einen Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG glaubhaft zu machen, ist es nicht von vornherein erforderlich, dass der Anspruchsgegner konkret vorträgt, wie gerade das Mandatsverhältnis zwischen dem Anspruchsteller und dessen Verfahrensbevollmächtigten zustande gekommen ist. Bei derartigen Interna aus der Sphäre des Anspruchstellers, die sich regelmäßig der Kenntnis des Anspruchsgegners entziehen, obliegt dem Anspruchsteller vielmehr eine sekundäre Darlegungslast (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 26. Auflage, vor § 284 Rn. 34 mit weiteren Nachweisen). Dem gemäß wäre es Sache der Antragstellerin gewesen, der auf die bezeichneten Indizien gestützten Schlussfolgerung des Antragsgegners, die Verfahren der Antragstellerin sollten ihr und ihrem Verfahrensbevollmächtigten ausschließlich eine Einnahmequelle verschaffen, entgegen zu treten. Dies hat die Antragstellerin bis zu den Erledigungserklärungen vom 22. November bzw. 6. Dezember 2007 (und auch im weiteren Verfahren erster Instanz) nicht getan, obwohl hierzu fast drei Monate Gelegenheit bestand und obwohl der Widerspruch allein auf den Missbrauchseinwand gestützt war. Auf das – vom Antragsgegner bestrittene – Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz kommt es gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht an.

c. Im Übrigen hat die Antragstellerin auch mit der sofortigen Beschwerde lediglich in Abrede gestellt, dass ein Zusammenhang zwischen ihr bzw. dem hiesigen Fall einerseits und der Werbung der M. im Internet für die kostenneutrale Abmahnung von Wettbewerbern andererseits bestehe bzw. dass der vom Antragsgegner vorgelegte Standardvertrag der M. sie betreffe. Sie hat weder eine Finanzierung des vorliegenden Verfahrens durch die M. dezidiert bestritten noch konkret vorgetragen, wie es zur Mandatierung ihres Verfahrensbevollmächtigten gekommen ist.

II.

Die Entscheidungen über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die Wertfestsetzung beruhen auf § 97 Abs. 1, § 3 ZPO.

 

Quelle: Kammergericht