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Bei einer Einfuhr in den europäischen Wirtschaftsraum tritt keine Erschöpfung ein, wenn der Markenrechtsinhaber keine Zustimmung erteilt hat. Ein Dulden reicht für eine Zustimmung nicht aus; da diese einem Verzicht des Inhabers auf sein ausschließliches Recht im Sinne des Art. 9 GMV gleichkommt und das entscheidende Element für die Erschöpfung dieses Rechts ist, muss sie nach Ansicht deds BGH auf eine Weise geäußert werden, die einen Willen zum Verzicht auf dieses Recht mit Bestimmtheit erkennen lässt.

Interessant auch die Ausführungen des BGH zur Verwirkung – hier hatte Honda über eine längeren Zeitraum den Importen zugesehen, ohne konkrete Schritte zu unternehmen. Nach Ansicht des BGH sei jedoch zu beachten, dass bei wiederholten, gleichartigen Verletzungshandlungen jede Verletzungshandlung einen neuen Unterlassungsanspruch entstehen lässt. Daher liefe auch die Frist, die   für die Beurteilung des Zeitmoments bei der Verwirkung maßgebliche Frist jeweils neu beginnen lassen, jedes Mal aufs Neue an.

 

BGH Urteil vom 18.1.2012

I ZR 17/11


Honda-Grauimport

Gemeinschaftsmarkenverordnung Art. 9 Abs. 1 Buchst. a; BGB § 242 Cc

a) Wiederholte gleichartige Markenverletzungen, die zeitlich unterbrochen auf-
treten, lösen jeweils einen neuen Unterlassungsanspruch aus und lassen die
für die Beurteilung des Zeitmoments bei der Verwirkung maßgebliche Frist
jeweils neu beginnen (Anschluss an BGH, Urteil vom 21. Oktober 2005 –
V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235, 236; Klarstellung zu BGH, Urteil vom
23. September 1992 – I ZR 251/90, GRUR 1993, 151, 153 = WRP 1993, 101
– Universitätsemblem).

b) Rechtsfolge der Verwirkung nach § 242 BGB ist im Immaterialgüterrecht al-
lein, dass ein Schutzrechtsinhaber seine Rechte im Hinblick auf bestimmte
konkrete bereits begangene oder noch andauernde Rechtsverletzungen nicht
mehr durchzusetzen vermag.

BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 – I ZR 17/11 – OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 18. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Dezember 2010 unter
Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen insoweit aufgeho-
ben, als das Berufungsgericht die Beklagte über das Gebiet der
Europäischen Union hinaus zur Unterlassung verurteilt hat.

Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der 2a. Zivilkammer des
Landgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 2009 auf die Berufung der
Beklagten abgeändert. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1         Die in Japan ansässige Klägerin stellt Motorräder her. Sie ist Inhaberin
der nachfolgend wiedergegebenen Gemeinschaftsbildmarke Nr. 3310034 (Kla-
gemarke 1),

HONDA

die am 3. November 2003 unter anderem für Fahrzeuge (Klasse 12) eingetra-
gen worden ist. Weiterhin ist sie Inhaberin der in roter Schrift gehaltenen, im
Übrigen identischen Gemeinschaftsbildmarke Nr. 2181519, die am 30. Septem-
ber 2002 ebenfalls für Fahrzeuge (Klasse 12) eingetragen worden ist (Klage-
marke 2). Die Klägerin verwendet die Marken zur Kennzeichnung der von ihr
hergestellten ,,HONDA“-Motorräder.

2          Die Beklagte handelt mit Motorrädern. Im Januar 2007 lieferte sie zwei
,,HONDA“-Motorräder nach Spanien, die sie zuvor von Händlern aus Singapur
und Hongkong erworben hatte. Ferner bot sie im Februar 2008 in ihrem Laden-
geschäft ein Motorrad mit der Bezeichnung ,,Honda CBR 600 RR“ zum Kauf an,
das sie ebenfalls aus Singapur importiert hatte. Die Klägerin sieht darin eine
Verletzung ihrer Markenrechte und mahnte die Beklagte im März 2008 erfolglos
ab.

3          Die Klägerin hat – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung –
beantragt,

die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurtei-
len, es zu unterlassen, Motorräder der Marke Honda, die ohne Zustimmung der
Klägerin erstmals auf dem Gebiet der Europäischen Union bzw. des Europäi-
schen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht worden sind, anzubieten, zu be-
werben, zu vertreiben oder in sonstiger Weise in Verkehr zu bringen und/oder
solche Produkte erstmals ohne Zustimmung der Klägerin in die Europäische
Union bzw. den Europäischen Wirtschaftsraum einzuführen.

4          Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich auf Erschöp-
fung der Markenrechte berufen und Verwirkung des Unterlassungsanspruchs
eingewendet, weil sie seit 25 Jahren ,,HONDA“-Motorräder aus den USA, Sin-
gapur und Hongkong importiere, was der Klägerin nicht verborgen geblieben
sei.
-4-

5         Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung
der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelas-
senen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, begehrt die Be-
klagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

6         I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Unter-
lassungsanspruch aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. a GMV zu. Zur Begründung hat es
ausgeführt:

7         Die Beklagte habe die Rechte der Klägerin aus der Klagemarke 1 ver-
letzt, indem sie gekennzeichnete Markenware in den Europäischen Wirtschafts-
raum eingeführt sowie zum Kauf angeboten und weiterverkauft habe. Die Mar-
kenrechte seien nicht nach Art. 13 Abs. 1 GMV erschöpft, da die Klägerin die in
Rede stehenden Motorräder im Europäischen Wirtschaftsraum weder selbst in
Verkehr gebracht noch ihre Zustimmung hierzu erteilt habe. Eine Zustimmung
ergebe sich weder daraus, dass die Klägerin dem Modell ,,Honda CBR 600 RR“
sogenannte Homologationsunterlagen und eine deutschsprachige Bedienungs-
anleitung beigefügt habe, noch daraus, dass die Beklagte im Rahmen von
Rückrufaktionen für Motorräder außereuropäischer Herkunft von der Honda Mo-
tor Europe (North) GmbH angeschrieben worden sei; auch ein Zuwarten der
Klägerin vor Inanspruchnahme der Beklagten stehe der Klage nicht entgegen.

8         Der Unterlassungsanspruch sei nicht nach § 242 BGB verwirkt. Ob die
Grundsätze von Treu und Glauben bei unionsrechtlichen Ansprüchen anwend-
bar seien, könne dahinstehen, da jedenfalls die Voraussetzungen der Verwir-
kung nicht erfüllt seien. Es fehle bereits an einem länger andauernden unge-
störten Gebrauch der angegriffenen Bezeichnung, weil jede Einfuhr eines
,,HONDA“-Motorrades in den Europäischen Wirtschaftsraum eine eigene
Rechtsverletzung darstelle und einen neuen Anspruch auslöse, wodurch jeweils
die für die Beurteilung des Zeitmoments der Verwirkung maßgebliche Frist neu
zu laufen beginne.

9          II. Die Revision der Beklagten hat im Wesentlichen keinen Erfolg. Das
Berufungsgericht hat dem Unterlassungsantrag der Klägerin für das Gebiet der
Europäischen Union zu Recht stattgegeben. Nur soweit das Verbot sich dar-
über hinaus auch auf das gesamte Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums
erstreckt, ist der Revision stattzugeben.

10         1. Die Klage ist nicht wegen fehlender Bestimmtheit des Klageantrags
gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.

11         Die Klägerin hat ihr Klagebegehren auf zwei eingetragene Marken und
damit auf zwei verschiedene Streitgegenstände gestützt (vgl. BGH, Beschluss
vom 24. März 2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 3 f. – TÜV I; Urteil vom
17. August 2011 – I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rn. 25 ff. = WRP 2011, 1454
– TÜV II). Auf den Hinweis des Senats hat die Klägerin klargestellt, dass sie ihre
Rechte in erster Linie aus der Klagemarke 1 und nur für den Fall, dass solche
Rechte nicht bestehen sollten, sodann aus der Klagemarke 2 verfolgt. Diese an
sich schon in der Klage gebotene Klarstellung konnte die Klägerin auch noch in
der Revisionsinstanz nachholen; sie ist auch verfahrensrechtlich unbedenklich,
weil das Berufungsgericht die Verurteilung auf die Klagemarke 1 gestützt hat
(vgl. BGH, GRUR 2011, 1043 Rn. 37 – TÜV II).

12         2. Das Berufungsgericht hat zu Recht den Verletzungstatbestand des
Art. 9 Abs. 1 Buchst. a GMV bejaht und eine Erschöpfung des Markenrechts
der Klägerin verneint.

13         a) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Be-
rufungsgerichts hat die Beklagte im Januar 2007 mit der Klagemarke 1 gekenn-
zeichnete ,,HONDA“-Motorräder aus dem asiatischen Raum nach Deutschland
eingeführt und nach Spanien verkauft. Zudem hat die Beklagte im Februar 2008
ein solches Motorrad aus Asien nach Deutschland eingeführt und hier zum Kauf
angeboten. Dass die darin liegende Zeichenbenutzung mit Zustimmung der
Markeninhaberin erfolgt ist, hat die Beklagte nicht geltend gemacht.

14         b) Eine Erschöpfung des Markenrechts nach Art. 13 Abs. 1 GMV ist nicht
eingetreten. Die Klägerin hat die ,,HONDA“-Motorräder nicht selbst im Europäi-
schen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht. Mit Recht hat das Berufungsgericht
angenommen, dass sie dazu auch keine Zustimmung erteilt hat.

15         aa) Da die Zustimmung einem Verzicht des Inhabers auf sein aus-
schließliches Recht im Sinne des Art. 9 GMV gleichkommt und das entschei-
dende Element für die Erschöpfung dieses Rechts ist, muss sie auf eine Weise
geäußert werden, die einen Willen zum Verzicht auf dieses Recht mit Bestimmt-
heit erkennen lässt (vgl. zu Art. 7 Abs. 1 MarkenRL EuGH, Urteil vom 20. No-
vember 2001 – C-414/99, Slg. 2001, I-8691 = GRUR 2002, 156 Rn. 45 = WRP
2002, 65 – Davidoff; Urteil vom 15. Oktober 2009 – C-324/08, Slg. 2009, I-10019
= GRUR 2009, 1159 Rn. 22 – Makro u.a./Diesel). Ein solcher Wille ergibt sich in
der Regel aus einer ausdrücklichen Erteilung der Zustimmung. Er kann sich
aber auch konkludent aus Anhaltspunkten und Umständen vor, bei oder nach
dem Inverkehrbringen außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ergeben,
die ebenfalls mit Bestimmtheit einen Verzicht des Inhabers auf sein Recht er-
kennen lassen (vgl. EuGH, GRUR 2002, 156 Rn. 46 f. – Davidoff).

16         bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin dem In-
verkehrbringen der ,,HONDA“-Motorräder im Europäischen Wirtschaftsraum

nicht ausdrücklich zugestimmt hat und auch keine Anhaltspunkte vorliegen, die
die Annahme einer konkludenten Zustimmung rechtfertigen. Dem Umstand,
dass sich die Klägerin um die Zulassungsfähigkeit der Motorräder der Baureihe
,,CBR 600 RR“ im Europäischen Wirtschaftsraum bemüht und eine dahinge-
hende Homologation auch tatsächlich erhalten hat, hat das Berufungsgericht
lediglich entnommen, dass die Klägerin die rechtlichen Voraussetzungen für ei-
nen Vertrieb dieses Modells in Europa schaffen wollte, damit aber keine Global-
zustimmung für ein Inverkehrbringen aller Motorräder dieses Typs im Europäi-
schen Wirtschaftsraum erteilt hat. Diese auf tatrichterlichem Gebiet liegende
Würdigung wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Sie ist weder erfah-
rungswidrig noch sonst aus Rechtsgründen zu beanstanden.

17         Gleiches gilt für die Beurteilung des Umstandes, dass die Klägerin die
Motorräder nach europäischen Spezifikationen hergestellt und ihnen deutsch-
sprachige Bedienungsanleitungen beigegeben hat. Das Berufungsgericht hat
darin zu Recht lediglich Rationalisierungsmaßnahmen beim Herstellungsverfah-
ren gesehen, nicht aber die generelle Zustimmung zum Inverkehrbringen der
Waren in Europa. Die Erschöpfung der Rechte aus der Marke tritt immer nur im
Hinblick auf die konkreten Warenstücke ein, für die die Voraussetzungen des
Art. 13 Abs. 1 GMV vorliegen (EuGH, Urteil vom 1. Juli 1999 – C-173/98, Slg.
1999, I-4103 = GRUR Int. 1999, 870 Rn. 18 ff. = WRP 1999, 803 – Sebago; Ur-
teil vom 3. Juni 2010 – C-127/09, Slg. 2010, I-4965 = GRUR 2010, 723 Rn. 31 =
WRP 2010, 865 – Coty Prestige). Es genügt daher nicht, dass die Motorräder
der Baureihe ,,CBR 600 RR“ allgemein für den europäischen Markt geeignet
sind und andere Fahrzeuge aus dieser Baureihe mit Zustimmung der Klägerin
möglicherweise dort in Verkehr gebracht wurden.

18         cc) Eine konkludente Zustimmung der Klägerin ergibt sich auch nicht da-
raus, dass die Beklagte im Rahmen von Rückrufaktionen für Motorräder außer-
-8-

europäischer Herkunft von der Honda Motor Europe (North) GmbH angeschrie-
ben wurde, ohne dass dabei der Import der Motorräder missbilligt wurde. Nach
den insoweit weder erfahrungswidrigen noch anderweitig zu beanstandenden
Feststellungen des Berufungsgerichts waren diese Schreiben allein Ausdruck
der Verkehrssicherungspflicht der Klägerin; sie dienten dazu, die Besitzer be-
troffener Fahrzeuge über alle einschlägigen Betriebe zuverlässig zu erreichen.
Ein Verzicht der Klägerin auf ihre Markenrechte folgt daraus nicht.

19         dd) Das Berufungsgericht ist schließlich zutreffend davon ausgegangen,
dass in einem Zuwarten der Klägerin mit der Beanstandung des Verhaltens der
Beklagten selbst dann keine konkludente Zustimmung läge, wenn die Klägerin
vom Parallelhandel der Beklagten Kenntnis erlangt haben sollte. Eine konklu-
dente Zustimmung zum Vertrieb von Waren im Europäischen Wirtschaftsraum,
die – wie im Streitfall – zunächst außerhalb dieses Gebietes in den Verkehr ge-
bracht worden sind, kann sich nicht aus dem bloßen Schweigen des Markenin-
habers ergeben (vgl. EuGH, GRUR 2002, 156 Rn. 55 – Davidoff).

20         3. Das Berufungsgericht hat eine Verwirkung des Unterlassungsan-
spruchs der Klägerin verneint, weil nach jeder Einfuhr eines mit der Marke
,,HONDA“ gekennzeichneten Motorrads in den Europäischen Wirtschaftsraum
die maßgebliche Frist für die Beurteilung des erforderlichen Zeitmoments je-
weils neu zu laufen beginne. Auch das hält der Nachprüfung durch das Revisi-
onsgericht stand.

21         a) Das Berufungsgericht konnte im Streitfall offenlassen, ob mitglied-
staatliche Grundsätze der Verwirkung der Ausübung der Rechte aus Gemein-
schaftsmarken entgegenstehen können (insoweit verneinend im hier nicht er-
öffneten Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 1 MarkenRL jetzt EuGH, Urteil
vom 22. September 2011 – C-482/09, GRUR 2012, 519 Rn. 33 ff. = WRP 2011,

1559 – Budweiser, dazu Palzer/Preisendanz, EuZW 2012, 134, 138; Hacker,
WRP 2012, 266, 267). Denn die Voraussetzungen einer Verwirkung liegen
schon nach deutschem Recht nicht vor. Es bedarf deshalb unter diesem Aspekt
auch keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.

22         aa) Verwirkung ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen wi-
dersprüchlichen Verhaltens, bei dem der Verstoß gegen Treu und Glauben in
der Illoyalität der verspäteten Rechtsausübung liegt (BGHZ 25, 47, 51 f.; BGH,
Urteil vom 29.2.1984 – VIII ZR 310/82, NJW 1984, 1684). Dabei ist indes zu be-
achten, dass bei wiederholten, gleichartigen Verletzungshandlungen jede Ver-
letzungshandlung einen neuen Unterlassungsanspruch entstehen lässt. So ist
im Nachbarrecht anerkannt, dass wiederholte gleichartige Störungen, die zeit-
lich unterbrochen auftreten, jeweils einen neuen Unterlassungsanspruch auslö-
sen und die für die Beurteilung des Zeitmoments bei der Verwirkung maßgebli-
che Frist jeweils neu beginnen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2005 –
V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235, 236). Dieser nachbarrechtliche Grundsatz
kann, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, auf die Verwirkung des
markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs übertragen werden (ebenso für das
Wettbewerbsrecht Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 11 Rn. 2.14).

23         Auch längere Untätigkeit des Markeninhabers gegenüber bestimmten
gleichartigen Verletzungshandlungen kann kein berechtigtes Vertrauen eines
Händlers begründen, der Markeninhaber dulde auch künftig sein Verhalten und
werde weiterhin nicht gegen solche – jeweils neuen – Rechtsverletzungen vor-
gehen. Der Verwirkungseinwand, der auf einen im Vertrauen auf die Benut-
zungsberechtigung geschaffenen schutzwürdigen Besitzstand gegründet ist,
darf nämlich nicht dazu führen, dass dem Benutzer eine zusätzliche Rechtspo-
sition eingeräumt wird und die Rechte des nach Treu und Glauben nur aus-
nahmsweise und in engen Grenzen schutzwürdigen Rechtsverletzers über die-
– 10 –

se Grenzen hinaus erweitert werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 –
I ZR 162/05, GRUR 2008, 803 Rn. 29 = WRP 2008, 1192, 1195 – HEITEC).
Rechtsfolge der allgemeinen Verwirkung auf der Grundlage des § 242 BGB ist
im Markenrecht allein, dass ein Markeninhaber seine Rechte im Hinblick auf
bestimmte konkrete, bereits begangene oder noch andauernde Rechtsverlet-
zungen nicht mehr durchzusetzen vermag (vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen,
BGB [2009], § 242 Rn. 304; MünchKomm.BGB/Roth/Schubert, 6. Aufl., § 242
Rn. 331). Ein Freibrief für künftige Schutzrechtsverletzungen ist damit nicht ver-
bunden.

24         Ohne Erfolg wendet die Revision ein, die in den speziell geregelten Ver-
wirkungstatbeständen des § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie des Art. 54 Abs. 1
und 2 GMV zum Ausdruck kommende Wertung gebiete es, für die Frage der
Verwirkung auf den Zeitraum gleichgearteter Benutzungshandlungen abzustel-
len und nicht auf den einzelnen Importvorgang. Die genannten Bestimmungen
betreffen nicht den vorliegenden Fall der über längere Zeit ständig wiederholten
Benutzung einer fremden Marke beim Handel mit nicht erschöpfter Markenwa-
re, sondern setzen die ununterbrochene Benutzung eines eigenen Zeichens
des Anspruchsgegners über einen Zeitraum von fünf Jahren voraus.

25         Unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung kann der rechtsverletzend im-
portierende Händler daher keine Rechtsposition erlangen, die ihm ein Recht auf
immer neue Verletzungshandlungen gewähren und ihm so auf Dauer faktisch
eine kostenlose Lizenz verschaffen würde. Es wäre ein nicht hinnehmbarer
Wertungswiderspruch, wenn der Markenverletzer seine rechtsverletzenden
Handlungen unbefristet fortsetzen dürfte, während jedem Lizenznehmer durch
Ausübung eines vertraglichen Kündigungsrechts ein in der Vergangenheit zu-
lässiger Vertrieb für die Zukunft untersagt werden könnte. Soweit der Senats-
entscheidung ,,Universitätsemblem“ (BGH, Urteil vom 23. September 1992
– I ZR 251/09, GRUR 1993, 151, 153 = WRP 1993, 101 – Universitätsemblem,
insoweit nicht in BGHZ 119, 237) etwas anderes entnommen werden kann, wird
daran nicht festgehalten.

26         bb) Die vom Antrag der Klägerin umfasste Verletzungsform ist die ohne
ihre Zustimmung erfolgende Einfuhr von Motorrädern der Marke HONDA in den
europäischen Wirtschaftsraum. Die für die Beurteilung des Zeitmoments der
Verwirkung maßgebliche Frist hat daher mit jeder Einfuhr eines einzelnen Mo-
torrads neu zu laufen begonnen. Die Klägerin hat die Beklagte wegen des im
Februar 2008 von ihr ausgestellten Honda-Motorrads bereits am 10. März 2008
abgemahnt. Unabhängig von den sonstigen Einzelumständen des Streitfalls
und insbesondere von der Frage einer fortgesetzten Importtätigkeit der Beklag-
ten während des vorliegenden Gerichtsverfahrens kommt schon mangels eines
relevanten Zeitmoments eine Verwirkung des von der Klägerin geltend gemach-
ten, allein in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs nicht in Betracht.
Für die mögliche Verwirkung eines Schadensersatzanspruches ist damit nichts
gesagt. Hierauf kommt es im Streitfall nicht mehr an, nachdem die Klägerin die
Klage, soweit sie auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflich-
tung gerichtet war, in der Berufungsinstanz zurückgenommen hat.

27         b) Ein etwa unmittelbar im Unionsrecht bestehender Verwirkungsgrund-
satz könnte keine geringeren Anforderungen an den Eintritt der Verwirkung stel-
len als das in dieser Hinsicht bereits weitgehende deutsche Recht (zu anderen
Rechtsordnungen vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen aaO § 242 Rn. 1116 ff.;
zur engen Auslegung unionsrechtlicher Ausnahmen von Unterlassungspflichten
aus Gemeinschaftsmarken vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006
– C-316/05, Slg. 2006, I-12083 = GRUR 2007, 228 Rn. 30 – Nokia). Daran be-
stehen keine vernünftigen Zweifel, so dass auch insoweit eine Vorlage an den
– 12 –

Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht erforder-
lich ist.

28           4. Die Revision hat gleichwohl zu einem geringen Teil Erfolg. Die Kläge-
rin hat in der Klagebegründung klargestellt, dass sie das Verbot hinsichtlich al-
ler Verletzungshandlungen für den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum
erstrebt. Das Berufungsgericht hat die entsprechende Verurteilung durch das
Landgericht in vollem Umfang bestätigt. Das Unterlassungsgebot kann indes
nicht für das gesamte Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums ausgespro-
chen werden. Schutzgebiet der Gemeinschaftsmarke ist allein das Gebiet der
Europäischen Union (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2007 – I ZR 33/05,
GRUR 2008, 254 Rn. 39 = WRP 2008, 236 – THE HOME STORE).
– 13 –

29          III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1
ZPO.

Bornkamm                          Pokrant                          Schaffert

Kirchhoff                            Koch

Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.05.2009 – 2a O 267/08 –
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.12.2010 – I-20 U 96/09 –