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Cloud Factory fehlt die Unterscheidungskraft für Waren/Dienstleistungen im Zusammenhang mit Computern. Die Nähe zu Cloud Computing ist evident. Der Begriff „Cloud“ existiert laut Wikipedia bereits seit Anfang der 90er Jahre.

„The origin of the term cloud computing is obscure, but it appears to derive from the practice of using drawings of stylized clouds to denote networks in diagrams of computing and communications systems. The word cloud is used as a metaphor for the Internet, based on the standardized use of a cloud-like shape to denote a network on telephony schematics and later to depict the Internet in computer network diagrams as an abstraction of the underlying infrastructure it represents. The cloud symbol was used to represent the Internet as early as 1994″  (http://en.wikipedia.org/wiki/Cloud_computing)

 

 

BUNDESPATENTGERICHT

29 W (pat) 38/12 Verkündet am 12. September 2012

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 059 223.0

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 12. September 2012 durch die Vorsitzende Richterin
Grabrucker, die Richterin Kortge und die Richterin am Landgericht Uhlmann

BPatG 154
05.11
beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Wortzeichen

Cloud Factory

ist am 12. November 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Pa-
tent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und
Dienstleistungen angemeldet worden:

Klasse 9:

Computersoftware; Computersoftware zur Datenverwaltung, Computer-
software zur Angebotserstellung, Computersoftware für Projektmanage-
ment; Programme zur Datenverwaltung, Programme zur Systematisie-
rung von Datensätzen einer Datenbank, Programme zur Bereinigung
einer Datenbank, Programme zur Aktualisierung der Daten einer Com-
puterdatenbank, Programme zur Synchronisierung von Computerdaten-
banken; auf einem Server gespeicherte Computersoftware; über das In-
ternet benutzbare Computersoftware;
Klasse 35:

Aktualisierung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken, Sys-
tematisierung von Daten in Computerdatenbanken, Zusammenstellung
von Daten in Computerdatenbanken, Synchronisierung von Computer-
datenbanken;

Klasse 42:

Installieren von Computerprogrammen; Erstellen von Computerpro-
grammen; Beratung zum Einsatz von Computerprogrammen; Wartung
und Reparatur von Computersoftware.

Mit Beschluss vom 16. Januar 2012 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmel-
dung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

Der Begriff ,,Cloud Factory“ werde von den angesprochenen Kreisen dahingehend
verstanden, dass es sich bei den Waren und Dienstleistungen um solche handele,
die mit dem sogenannten ,,Cloud Computing“ zu tun hätten und an einem be-
stimmten Angebotsort erbracht würden. ,,Cloud“ stehe für ,,Cloud Computing“, bei
dem abstrahierte IT-Infrastrukturen über ein Netzwerk zur Verfügung gestellt wür-
den. Das Wort ,,Factory“ werde nicht mehr nur für eine Fabrik im herkömmlichen
Sinne, sondern auch für eine Stätte geistiger Tätigkeit verwendet. Sämtliche Wa-
ren könnten mit dem Cloud Computing zu tun haben, die Dienstleistungen der Be-
reitstellung dieser Netzwerke dienen und an einem bestimmten Ort erbracht wer-
den. Der Begriff könne bewusst weit gefasst werden, um ein möglichst breites
Feld abzudecken.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
16. Januar 2012 aufzuheben.

Das Zeichen werde als ,,Wolkenfabrik“ verstanden, die allenfalls eine märchen-
hafte Bedeutung haben oder als Hinweis auf ein stromerzeugendes Kraftwerk ver-
standen werden könne, für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jedoch
nicht beschreibend sei. Selbst im Computerjargon sei der Begriff ,,Cloud“ vage und
unklar. Gerade die Kombination mit ,,Factory“ sei nicht geeignet, einen Bezug zu
den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herzustellen, da ,,Cloud Factory“
in Bezug auf Hardware eine Sachangabe sein könne, nicht aber in Bezug auf die
beanspruchte Software. Die beschreibende Verwendung des Begriffes sei nicht
nachgewiesen, da die im Beschluss aufgeführten Verwendungsbeispiele nicht ein-
schlägig seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der Beschluss des DPMA ist
rechtmäßig.

Die Anmelderin hat gemäß §§ 41, 37 Abs. 1, 33 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 8 Mar-
kenG keinen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten Wortzeichens, da der
Eintragung ein absolutes Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35
und 42 entgegensteht. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen,
denen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterschei-
dungskraft fehlt.
Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende (konkrete)
Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in
Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unter-
nehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit
von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608,
611 Rn. 66 g. ­ EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 133 ­ Marlene-
Dietrich-Bildnis II; 935 Rn. 8 ­ Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 ­ FUSS-
BALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungs-
identität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten
(EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 ­ Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 ­ BioID). Da
allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis be-
gründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so
geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden
(BGH a.a.O. Marlene-Dietrich-Bildnis II). Maßgeblich für die Beurteilung der Un-
terscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Ver-
kehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal in-
formierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrau-
chers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR
2006, 411, 412 Rn. 24 Matratzen Concord/Hukla). Ebenso ist zu berücksichtigen,
dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit al-
len seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer
analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431
Rn. 53 ­ Henkel). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unter-
scheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im
Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese
aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer
geläufigen Fremdsprache bestehen, die ­ etwa wegen einer entsprechenden Ver-
wendung in der Werbung oder in den Medien ­ stets nur als solche und nicht als
Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a.a.O. ­ FUSSBALL WM 2006).
Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die
sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistun-
gen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Be-
zug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe
erschöpfen (BGH GRUR 2010, 1101,1102 Rn. 23 ­ TOOOR!).

Bei der Beurteilung des Verständnisses des angemeldeten Zeichens ist auf das
allgemeine Publikum und auf ein unternehmerisch tätiges Fachpublikum abzu-
stellen, da die beanspruchten Dienstleistungen sowohl von Endverbrauchern als
auch von Unternehmen in Anspruch genommen werden. Letztere treffen die Ent-
scheidung über die Inanspruchnahme der Dienstleistung mit besonderer Sorgfalt
und erhöhter Aufmerksamkeit.

Das Wortzeichen besteht aus den Begriffen ,,Cloud“ und ,,Factory“, zwei Wörtern
aus dem englischen Grundwortschatz, die auch im Inland im Sinne von ,,Wolke“
und ,,Fabrik“ verstanden werden.

Der englische Begriff ,,Cloud“ ist neben seiner ursprünglichen Bedeutung ,,Wolke“
im Bereich der EDV inzwischen zu einem deutschen Fachbegriff geworden. Die
Cloud bezeichnet ,,ein beim Cloudcomputing benutztes Netzwerk mehrerer ver-
teilter Rechner“ (Duden-Online). Cloud Computing ist ein Konzept zur Bereitstel-
lung von Rechenkapazität, Speicherkapazität und Software über das Internet, wo-
bei die Hardware nicht mehr vom Anwender selbst betrieben, sondern an ein ex-
ternes Rechenzentrum ausgelagert wird. Da die Strukturen der externen Rechen-
zentren und Server für den Anwender undurchsichtig sind und die Daten ,,ir-
gendwo in der Wolke“ lagern, hat sich dafür der Begriff ,,Cloud“ durchgesetzt
(C. Prevezanos, Computer Lexikon 2012, München 2011). Der Begriff ,,Cloud“ ist
dem inländischen Verbraucher in dieser Bedeutung durch seine massive Ver-
wendung in der Werbung geläufig:

,,Mit der TelekomCloud bekommen jetzt all Ihre Daten ein neues Zuhause, wo

Sie ihre Musik, Fotos, E-Mails, Kontakte und vieles mehr sicher online spei-
chern können…“ (www.telekom.de);
,,Die COMPUTERBILD-Cloud, iCloud oder Dropbox: Speichern Sie Daten kos-

tenlos online und greifen Sie von überall darauf zu“ (www.computerbild.de);
,,Digitale Fabrik: Cloud Management: Für eine größere Cloud…Das

Hauptaugenmerk bei der Weiterentwicklung ist die private Cloud, die sich
schneller und einfacher einrichten, skalieren und verwalten lässt.“
(www.scope-online.de);
,,Stücklisten für die IT-Fabrik: Utility und Cloud-Computing“ (www.network-

computing.de);
,,Cloud Computing ­ Ihr Weg in die Cloud beginnt hier“ (www.microsoft.de).

Der englische Begriff ,,Factory“ entspricht dem deutschen Wort ,,Fabrik“ und wird
auch im Inland benutzt und verstanden, etwa im Begriff ,,Factory Outlet“ für die
Verkaufsstelle einer Firma, in der ihre Waren dem Endverbraucher direkt und
ohne Zwischenhändler mit Rabatt angeboten werden (Duden-Online). Unter einer
Fabrik verstand man ursprünglich einen Betrieb, in dem auf industriellem Weg
durch Be- und Verarbeitung von bestimmten Werkstoffen und unter Einsatz me-
chanischer und maschineller Hilfsmittel bestimmte Waren in großer Stückzahl her-
gestellt werden. Auch das Gebäude, in der die Herstellung stattfindet, bzw. die da-
mit beschäftigte Belegschaft wird als ,,Fabrik“ bezeichnet (Duden-online). Daneben
hat sich die Bezeichnung ,,Factory“ oder ,,Fabrik“ auch zu einer Bezeichnung für
den Herkunfts- und Erbringungsort von Dienstleistungen entwickelt, wobei der
englische Begriff gerade im Zusammenhang mit elektronischen Medien Verwen-
dung findet (BPatG 29 W (pat) 161/00, Beschluss vom 12.09.2001 – internet
factory):

,,Informationsfabrik: Webinar“ (www.informationsfabrik.com);

,,Die Zukunft gehört der globalen IT-Fabrik…Der Großteil aller weiteren

Ressourcen wird aus der Cloud bezogen“ (www.channelpartner.de);
,,Fabrik 2.0: Cloud Computing statt rauchender Schornsteine“ (www.business-

cloud.de);
StoneOne ­ im Zentrum der Software-Fabrik“ (www.stoneone.de).

Als Gesamtbegriff hat das Zeichen damit einen engen beschreibenden Bezug zu
den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und kann deshalb nicht als be-
trieblicher Herkunftshinweis dienen. Es bezeichnet eine Betriebsstätte, von der
aus Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Cloud Computing
angeboten werden. Sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen können
im Zusammenhang mit dem Aufbau, dem Betrieb oder der Nutzung einer Cloud
stehen. Auf Computersoftware kann in einer Cloud zugegriffen werden, für die
Speicherung und Verarbeitung von Daten in einer Cloud werden Programme zur
Datenverwaltung in diese eingestellt und die entsprechenden Dienstleistungen der
Klassen 35 und 42 benötigt.

Die Auffassung der Beschwerdeführerin, das Zeichen habe, wenn überhaupt, nur
für Hardware, nicht aber für die beanspruchte Software einen Sachbezug, ver-
kennt, dass der Begriff ,,Factory“ oder ,,Fabrik“ inzwischen auch als Betriebsstätte
für Dienstleistungen insbesondere im Bereich der neuen Medien benutzt wird. Zu-
dem bestehen die Vorteile des Cloud Computing gerade darin, dass der Verwen-
der keine eigene Hardware mehr benötigt, sondern über das Internet auf die von
dem Betreiber der Cloud vorgehaltene Hard- und Software zugreifen kann. Schon
deshalb versteht das angesprochene Publikum unter dem Begriff ,,Cloud Factory“
keinen Herstellungsort für Hardware, sondern die Betriebsstätte einer Cloud und
der damit zusammenhängenden Dienstleistungen.

Grabrucker Kortge Uhlmann

Hu