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Das AG Charlottenburg hat mit Urteil vom 2. Juni 2015 eine Klage wegen File-Sharings der Wolfgang Embacher Filmproduktion GmbH gegen einen Mandanten unserer Kanzlei abgewiesen. Diesem wurde vorgeworfen, einen Pornofilm „Angel P…… 22“ von seinem Anschluss herunter geladen und angeboten zu haben. Der Beklagte war seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen und die Klägerin hatte keinen Beweis dafür angeboten, dass er den Anschluss selber benutzt hatte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Das Urteil:

Amtsqericht Charlottenburq

Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 224 C 105/14

In dem Rechtsstreit

verkündet am :       02.06.2015

 

.

 

Klägerin,

gegen 

….

Beklagten,

– Prozessbevolfmächtigter:

Rechtsanwalt Kai Jüdemann,
WeIserstraße 10-12,10777 Berlin,-

hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 224,im schriftlichen Verfahren, bei dem  Schriftsätze bis zum 12.05.2015 eingereicht werden konnten, durch die Richterin am Amtsgericht  Dr. Lüpfert für Recht erkannt:

  1. Das Versäumnisteilurteil vom 17.02.2015 wird aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.
  1. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme er durch die Säumnis  entstandenen Kosten, die der Beklagte zu tragen hat.
  2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,  wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110  des  jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Pornofilm „Angel (…..)“ wurde am 03.02.2013 um 02:49:02 Uhr auf einer Tauschbörse  im Internet hochgeladen. Ermittlungen der von der Klägerin beauftragten Firma OTS ergaben, dass dies von der IP-Adresse 77.185.14.182 aus geschehen war. Die Klägerin führte ein Auskunftsverfahren in Bezug auf die genannte IP-Adresse durch. Nach Auskunft des Providers war diese IP-Adresse zum genannten Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet.

Mit anwaltlichem Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 04.11.2013 wurde der Beklagte im Auftrag der Klägerin wegen unbefugten Anbietens des streitgegenständlichen Films abgemahnt sowie zur Zahlung von Schadensersatz und zum Ersatz von Rechtsanwaltskosten aufgefordert. Es wurde angeboten, die Sache durch Zahlung eines pauschalen Gesamtbetrages in Höhe von 650,00 € zu erledigen.

Die Klägerin behauptet sie sei Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Film. Der Beklagte habe den Film zum Download angeboten.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von 535,00 € zu, ferner  Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung in Höhe von 215,00 €, und zwar nach einem Gegenstandswert in Höhe von 1.535,00 €.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung in Höhe von insgesamt 750,00 € nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit in Anspruch, und zwar Schadensersatz in Höhe von 535,00 € und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 215,00 €. In dem Verhandlungstermin am 17.02.2015, in dem für den Beklagten niemand erschienen ist, hat die Klägerin beantraqt, den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 390,00 € und von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 169,50 € nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zu verurteilen, Insoweit ist Versäumnisteilurteil ergangen. Im Übrigen hat die Klägerin keinen Antrag gestellt. Gegen das dem Beklagten am 17.02.2015 zugestellte Versäumnisteilurteil hat er mit am 24.02.2015 eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisteilurteil aufrechtzuerhalten und den Beklagten zu verurteilen; weitere
235,00 € Schadensersatz und weitere 45,50 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seitRechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte behauptet: Er habe die Urheberrechtsverletzung nicht begangen. Zur Tatzeit habe er geschlafen, sein PC sei ausgeschaltet gewesen. Neben ihm habe seine Ehefrau Zugriff auf das Internet über seinen Anschluss gehabt. Sie habe sich zur Tatzeit auch in der Wohnung befunden. Sie komme als Täterin der Rechtsverletzung in Betracht. Auf Nachfrage des Beklagten habe seine Ehefrau allerdings bestritten, die Tat begangen zu haben. Der verwendete Router sei WPA2- verschlüsselt gewesen. Die Ermittlungsmethoden der Firma OTS GmbH seien fehlerbehaftet. Dies ergebe sich bereits daraus, dass unter der gleichen IP-Adresse angeblich an drei Tagen hinter- einander von unterschiedlichen Internetnutzern der gleiche Rechtsverstoß begangen worden sei.
Der Beklagte bestreitet die Höhe der beanspruchten Lizenzgebühr und ist der Ansicht, der für die  Abmahnkosten zugrunde gelegte Gegenstandswert sei überhöht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ,ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch gegen das Versäumnisteilurteil ist zulässig, insbesondere ist er form- und-fristgerecht eingelegt worden (§§ 339 Abs. 1,340 ZPO). Er hat auch in der Sache Erfolg. Denn die zulässige Klage ist insgesamt unbegründet.

Über die klägerischen Anträge war in vollem Umfang zu entscheiden. Darauf, dass im Verhandlungstermin von Klägerseite kein Antrag gestellt worden ist, soweit die Anträge über die mit dem Versäumnisteilurteil zugesprochen Beträge hinausgehen, kommt es infolge der Anordnung des schriftlichen Verfahrens gemäß § 128 Abs. 2 ZPO nicht an. Eine Klagerücknahme ist insoweit von  der Klägerin nicht erklärt worden.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 97 Abs. 2 UrhG auf Schadensersatz wegen unerlaubten Anbietens des streitgegenständlichen Films auf einer Internettauschbörse.

Der streitgegenständliche Film ist ein gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG urheberrechtlieh geschütztes Werk. Dieses ist gemäß § 19 a UrhG öffentlich zugänglich gemacht worden, indem es für eine  unbekannte Vielzahl von Nutzern zum Download angeboten worden ist.

Es kann dahinstehen,ob der Film von dem Internetanschluss des Beklagten aus zum Download  zur Verfügung gestellt und damit gemäß § 19 a UrhG öffentlich zugänglich gemacht worden ist und ob die Klägerin Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Film ist. Denn eine Haftung des Beklagten als Täter der darin liegenden Urheberrechtsverletzung scheidet aus, da der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen sind und die Klägerin keinen Beweis dafür angetreten hat, dass der Beklagte zu dem maßgeblichen Zeitpunkt  den Anschluss selbst benutzt haben, um den Film gemäß § 19 a UrhG öffentlich zugänglich zu machen.

Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeordnet ist, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist.
Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (BGH NJW 2010, 2061 Tz. 12 – Sommer unseres Lebens). Der Anschlussinhaber muss seine Verantwortlichkeit deshalb im Rahmen des ihm Zumutbaren substantiiert bestreiten sowie Tatsachen darlegen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt. Die tatsächliche Vermutung ist entkräftet, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der An- schlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat (BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12, Rn. 34 – Morpheus, zitiert nach juris).

Der Anschlussinhaber ‚ist jedoch prozessual nicht gehalten, die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorgebrachten Tatsachen auch zu beweisen, um die tatsächliche Vermutung dafür, dass er für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, zu entkräften (LG München, Urteil vom 22.03.2013 – 21 S·28809/11, zitiert nach juris). Eine Umkehr der Beweislast ist mit der sekundären Darlegungslast ebensowenig verbunden wie eine über die prozessuale Wahrheitspflicht hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Kläger alle für seinen Prozesserfolg benötigten  Informationen zu verschaffen (LG München a.a.O.; OLG Köln MMR 2012, 549, 550).

Dem Anschlussinhaber obliegt nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren müsste. Die tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit beruht nämlich nicht auf einer gesetzlichen Wertung, sondern auf der Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetanschluss nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Diese Annahme wird erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt (OLG Köln MMR 2012, 549, 550; OLG München, Urteil vom 01.10.2012 – 6 W 1705/12, zitiert nach juris). Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 08.01.2014, I-ZR 169/12 – BearShare). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGH, a.a.O.).

Seiner sekundären Darlegungslast ist der Beklagte dadurch nachgekommen, dass er vorgetragen hat, er selbst habe die Rechtsverletzung nicht begangen und zur Tatzeit hätte außer ihm auch seine Ehe!rau die Möglichkeit des selbständigen Zugriffs auf seinen Internetanschluss gehabt. Damit hat der Beklagte Tatsachen vorgetragen, aus denen sich zumindest die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht von ihm, sondern allein von einem Dritten begangen worden ist. Er ist auch seiner Nachforschungspflicht nachgekommen. Denn er hat konkret mitgeteilt, wer außer ihm im streitgegenständlichen Zeitraum Zugang zu dem Internetanschluss hatte und wer als Täter in Betracht kommt: Ferner hat er vorgetragen, die Person, die eine Zugriffsmöglichkeit auf seinen Internetanschluss hatte, zu der streitgegenständlichen Rechtsverletzung befragt zu haben. Eine darüber hinausgehende Nachforschungspflicht bestand nicht.

In dieser prozessualen SitiJation oblag es der Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen, Beweis für die anspruchsbegründende Verletzungshandlung zu führen bzw. die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorgetragenen Tatsachen so zu widerlegen, dass sich die täterschaftliche Verantwortung der Beklagten ergibt.

Die Klägerin ist beweisfällig geblieben. Sie hat keinen Beweis dafür angetreten, dass der Beklagte selbst die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen hätte. Sie hat lediglich unter Beweisantritt bestritten, dass der Beklagte die Rechtsverletzung nicht begangen habe und sein Rechner zu dieser Zeit ausgeschaltet gewesen sei, ferner dass die Ehefrau des Beklagten zum Tatzeitpunkt Zugriff auf den Internetanschluss gehabt hätte und die Rechtsverletzung begangen hätte.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch gemäß § 97 a Abs. 1 Satz 2  UrhG a.F. auf Erstattung der ihr durch die dem Beklagten gegenüber erklärte Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten.

Ein solcher Erstattungsanspruch setzt voraus,dass die Abmahnung des Verletzten berechtigt ist.  Dies war vorliegend nicht der Fall, da der Beklagte der Klägerin weder als Täter oder Teilnehmer noch als Störer auf Unterlassung gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG haftet.

Dass der Beklagte nicht als Täter bzw. Teilnehmer haftet, ergibt sich aus den obigen Ausführungen.

Der Beklagte ist für diesen Sachverhalt auch nicht als Störer verantwortlich.

In entsprechender Anwendung des § 1004 BGB haftet für eine Schutzrechtsverletzung derjenige als Störer, der – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Die Haftung als Störer setzt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ferner die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGHZ 185, 330 Rn. 19 – Sommer unseres Lebens, m.w.N.). Ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und AufgabensteIlung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die Beeinträchtigung unmittelbar vorgenommen hat.

Bei Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige ist zu berücksichtigen, dass zum einen die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit  beruht und zum anderen Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Im Hinblick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen darf der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne ihn belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der An-schlussinhaber – etwa aufgrund einer Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung haben muss, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12, Rn. 27 – BearShare, zitiert nach juris).

Demnach bestanden vorliegend keine Belehrungs- und Überwachungspflichten des Beklagten gegenüber seiner Ehefrau. Dass vor der streitgegenständlichen Rechtsverletzung für den Beklagten ein konkreter Anlass für die Befürchtung bestanden hätte, dass der Anschluss durch seine Ehefrau für Rechtsverletzungen missbraucht würde, ergibt sich aus dem Parteivorbringen nicht. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargetan, dass der Beklagte bereits zuvor Abmahnungen wegen derartiger Rechtsverletzungen erhalten hätte.

Eine Störerhaftung des Beklagten kann sich vorliegend auch nicht aus einer unzureichenden Absicherung des Internetanschlusses ergeben. Wenn – wie hier – die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Rechtsverletzung von einer zur Nutzung des Anschlusses berechtigten Person begangen worden ist, kommt es nicht darauf an, ob aufgrund einer unzureichender Sicherung des Anschlusses ein Zugriff von außen durch Unberechtigte möglich war.

Da die Hauptforderung nicht besteht, ist auch der Zinsanspruch unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeitauf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Unterschrift

 

Anwalt Urheberrecht Berlin
Rechtsanwalt Urheberrecht Berlin