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Das Amtsgericht Potsdam hat in einer aktuellen File-Sharing Sache der Koch Media GmbH festgestellt, dass es keine tatsächliche Vermutung gebe, der Nutzer eines Anschlusses sei für das File-Sharing verantwortlich. Dies gilt auch dann, wenn er in einem Vorprozess gegen den Anschlussinhaber (hier: seine Mutter) die Aussage verweigert.

AG Potsdam, Urteil vom  19. August 2015 20 C 7/15

 

Amtsgericht Potsdam

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

gegen

(…)

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt Kai Jüdemann, Weiser Straße 10-12, 10777 Berlin

wegen: Abmahnkosten und Schadenersatz

hat das Amtsgericht Potsdam

auf die mündliche Verhandlung vom 19. August 2015

durch den Richter am Amtsgericht Seffer für Recht erkannt:

 

1.          Das Versäumnisurteil vom 25. März 2015 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2.     Der Beklagte hat die Kosten seiner Säumnis zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3.              Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung  der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110  des beizutreiben- den Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein führender Produzent und Vermarkter von digitalen Entertainment-Produkten und Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel „ARMADA 2526“, das im August 2010 erstmals in Deutschland veröffentlicht wurde. In unmittelbarem Zusammenhang damit tauchten in Peer-to-Peer-Netzwerken Raubkopien des Spiels auf. Die Klägerin beauftragte die Firma LOGISTEP, die IP-Adressen, über die das Spiel angeboten wurde, zu ermitteln. Die Firma LOGISTEP identifizierte mittels der Software .File-Sharlnq-Monitor“ Angebote von Raubkopien des Spiels in Filesharingbörsen. Die Klägerin leitete ein Verfahren vor dem Landgericht Köln ein, um Auskunft zu erhalten, welchem Internetanschluss am 22. September 2010 um 22:00:09 Uhr die IP-Adresse ,,87.153.225.115″ zugewiesen war. Nach Vorlage des Gerichtsbeschlusses erteilte der IP-Provider die Auskunft, die IP-Adresse sei dem Anschluss der Mutter des Beklagten, (…), zugewiesen gewesen. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 18. November 2010 mahnte die Klägerin (…) ab und forderte sie auf, bis 29. November 2010 eine Untelassungserklärung abzugeben und bot an, dann die Angelegenheit bei Zahlung von 650,00 € pauschal zu erledigen(…) gab (nur) eine Unterlassungserklärung ab.

Die Klägerin machte gegen (…) vor dem Amtsgericht Hamburg. Geschäftsnummer 25a (182/13) folgende Ansprüche geltend:

 

1. Kosten der Rechtsverfolgung (Rechtsanwaltskosten)

2. Kosten des Auskunftsverfahrens

3. Schadenersatz (fiktive Lizenzgebühr)

 

368,00 €

4,14 €

500,00 €

(Name) trug vor, auch ihr Lebensgefährte (….) und ihr Sohn, der Beklagte, hätten am 22. September 2010 Zugriff auf den Internetanschluss gehabt. Der als Zeuge vernommene (….) sagte aus, er habe Zugriff gehabt, die Beklagte sei es nicht gewesen; der Beklagte verweigerte im Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg das Zeugnis. Er erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin behauptet, über den Internetanschluss der (…)  habe der Beklagte das Computerspiel am 22. September 2010 um 22:00:09 Uhr mit dem Client .uTorrent 2.0.4.0″ und über die IP-Adresse ,,87.153.225.115″ zum Download angeboten. (…) und die Mutter des Beklagten seien es nicht gewesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Ansprüche seien nicht verjährt, da sie ja erst 2014 von der Person des Beklagten Kenntnis erhalten habe.

Sie hat im Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg auch den Beklagten in Anspruch genommen, das durch Beschluss vom 05. Januar 2015 den Rechtsstreit gegen den Beklagten abgetrennt und an das Amtsgericht Potsdam verwiesen hat. Die Klägerin hat beantragt, 1. den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag von 368,00 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2010 zu zahlen, 2. 4,14 € nebst jährlicher Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20. Dezember 2014 zu zahlen, 3. an sie einen weiteren Betrag über 500,00 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 400,00 € ab 18. Dezember 2010 und auf 100,00 € ab 20. Dezember 2014 zu zahlen, 4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden – insbesondere die Kosten des Rechtsstreits gegen (….) – zu ersetzen, die wegen deren gerichtlicher Inanspruchnahme entstanden sind und noch entstehen. Im Termin am 25. März 2015, in dem für den ordnungsgemäß geladenen Beklagten niemand erschienen ist, hat das Gericht ihn durch Versäumnisurteil antragsgemäß verurteilt. Gegen das ihm am 01. April 2015 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 13. April 2015, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt

das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.

Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Er behauptet, am Tattag sei der Rechner ausgeschaltet und er, der Beklagte, nicht zu Hause gewesen. Er bestreitet, dass die IP-Adresse seiner Mutter zugeordnet gewesen sei.

Er meint, gegen ihn spreche keine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft, da er nicht Inhaber des Internetanschlusses war. Der Anspruch sei verjährt, die Verjährungsfrist betrage drei Jahre.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 08. Juli 2015, in dem es den Beklagten als Partei vernommen hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme nimmt das Gericht auf das Sitzungsprotokoll vom 19. August 2015, Blatt 224/224 Rück der Akte, Bezug.

Entscheidungsgründe

  1. Auf den Einspruch des Beklagten ist der Rechtsstreit in das Stadium vor Erlass des Versäumnisurteils zurück versetzt worden. Der Einspruch war zulässig, §§ 338 ff. ZPO, insbesondere fristgemäß, § 339 Abs. 1 ZPO.
  2. Die zulässigen Anträge 1. bis 3. sind unbegründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Schadenersatzanspruch gemäß §§ 97 Abs. 2 UrhG, 97 a Abs. 2 UrhG alter Fassung, 683, 670,812 BGB zu, denn es steht schon nicht fest, dass der Beklagte passivlegitimiert ist. Ihre Behauptung, der Beklagte habe die streitige Rechtsverletzung am 22. September 2010 begangen, hat die Klägerin nicht bewiesen, denn der hierzu als Partei vernommene Beklagte hat nicht bekundet, er habe das Spiel damals im Internet zur Verfügung gestellt. Allein daraus, dass er im Prozess gegen seine Mutter – zulässig – das Zeugnis verweigert hat, folgt auch nicht, er sei es gewesen. Vor dem Hintergrund, dass gegen ihn keine tatsächliche Vermutung dafür spricht, er sei Täter gewesen, da nicht er, sondern seine Mutter Inhaberin des Internetanschlusses war, steht auch nicht deshalb, weil etwa seine Mutter und der Zeuge (…) vorgetragen bzw. ausgesagt haben, sie seien es nicht gewesen, quasi „im Umkehrschluss“ oder nach dem Ausschlussprinzip fest, es sei der Beklagte gewesen, denn es können auch Dritte, zum Beispiel auch Dritte über den Router der (….), auf den Internetanschluss zugegriffen haben.
  1. Der Antrag zu 4. ist als Feststellungsantrag, § 256 Abs. 1 ZPO, zulässig.

Er ist aber aus den Gründen wie 2. ebenfalls unbegründet.

  1. Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

Ansprüche 1. bis 3. insgesamt

Antrag 4. (80  der Kosten im Rechtsstreit gegen (…)

872,14 €

geschätzt 650.00

1.522,14 €

 

  1. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 344, 708 Nr. 11, 711
    ZPO

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.