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Der BGH hat sich in dem Urteil vom 26. Juni 2003 mit einer vermeintlich unzulässigen Anlehnung an eine französische Kindersendung auseinanderzusetzen. Betont wurde, dass ein Format keinen Werkcharakter aufweist. Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz schied mangels Vorliegens eines Wettbewerbsverhältnisses aus.

Pressemeldung:

Der u.a. für das Urheber- und Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte über eine Unterlassungsklage zu entscheiden, mit der geltend gemacht wurde, das sog. Showformat der Fernsehsendereihe „Kinderquatsch mit Michael“ lehne sich unzulässig an das Format der seit 1977 in Frankreich ausgestrahlten Sendereihe „L’école des fans“ an.

In beiden Fernsehshows werden jeweils mehrere Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren von einem Moderator zu einem kleinen Podest auf der Bühne geführt und mit kurzen kindgerechten Interviews vorgestellt. Danach singen die Kinder unter Musikbegleitung einstudierte einfache Lieder. Während des Auftritts zeigt die Kamera auch die Eltern des Kindes, die im Publikum sitzen. Im Verlauf der Shows treten zudem Gaststars auf. Zum Schluß werden an die Kinder Geschenke verteilt.

Der Begriff des Formats bezeichnet – als ein aus der Medienbranche stammender Begriff – bei Fernsehshows deren Konzept. Dieses beinhaltet die Gesamtheit aller ihrer charakteristischen Merkmale, die geeignet sind, auch Folgen der Show trotz ihres jeweils unterschiedlichen Inhalts als Grundstruktur zu prägen und damit zugleich dem Publikum zu ermöglichen, sie ohne weiteres als Teil einer Sendereihe zu erkennen (z.B. Titel, Logo, Grundgedanke der Show, Dauer und Ablauf der Sendung, Art und Weise ihrer Moderation sowie der Fernsehaufzeichnung, Erkennungsmelodien, typische Sätze oder Signalfarben sowie die Ausstattung). Ein Fernsehshowformat dient als Grundlage für immer neue Folgen der Show.

Die Klägerin hat vorgebracht, durch die Ausstrahlung der Sendereihe „Kinderquatsch mit Michael“ verletze die beklagte Rundfunkanstalt die urheberrechtlichen Nutzungsrechte, die ihr an dem Format der französischen Sendereihe zustünden. Zugleich handele die Beklagte dadurch wettbewerbsrechtlich unlauter.

Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß der Klägerin schon deshalb kein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch zustehe, weil das Format von „L’école des fans“ nicht urheberrechtlich schutzfähig sei. Dieses Format gestalte zwar einen einfachen Grundgedanken für eine Veranstaltung vor Publikum als einheitliches Konzept von individueller Eigenart aus, das Urheberrecht schütze aber nicht alle Ergebnisse individueller geistiger Tätigkeit, sondern nur Werke im Sinne des § 2 des Urheberrechtsgesetzes. Ein Werk als Gegenstand des Urheberrechtsschutzes könne nur sein das Ergebnis der schöpferischen Formung eines bestimmten Stoffs, nicht eine vom Inhalt losgelöste Anleitung zur Formgestaltung gleichartiger anderer Stoffe, auch wenn diese ein in ihrer Art besonderes Leistungsergebnis sei. Das Urheberrecht schütze selbst Werke nur gegen ihre unbefugte Verwertung als solche in unveränderter oder unfrei benutzter Form, nicht gegen ihre bloße Benutzung als Vorbild zur Formung anderer Stoffe. Das Sendeformat von „L’école des fans“ enthalte aber nicht einmal etwas vom Kern der nach seinen Anleitungen geschaffenen einzelnen Sendungen, sondern sei in seiner Gesamtheit nur ein vorgegebener Rahmen zur Gestaltung gleichartiger Sendungen mit neuen Inhalten als Teil einer Sendereihe.

Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch sei hier schon deshalb nicht gegeben, weil die Klägerin nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zu der Beklagten stehe.

Urteil vom 26. Juni 2003 – I ZR 176/01

Karlsruhe, den 26. Juni 2003

Quelle: Pressestelle des BGH