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Der Bundesgerichtshof hat aktuell dem EuGH Fragen über die Zulässigkeit von Werbeaussagen zur Wirkung eines Kräuterlikörs zur Vorabentscheidung vorgelegt.

U.a.  soll die Frage beantwortet werden, ob der Begriff der Gesundheit in der Verordnung (EG) 1925/2006 über nährungs- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel auch den Begriff des „Wohlbefindens“ umfasst.  Der Bundesgerichtshof sieht in der Werbeaussage „Der wohltuende und bekömmliche Kräuterlikör aus den Alpen“ für ein Getränk mit einem Alkoholgehalt von 27 Volumenprozent einen Verstoß gegen die Verordnung und begründet dies mit dem zumindest mittelbaren Gesundheitsbezug des Begriffes wohltuend.

Nach Art 2 Abs.2 Nr. 5 VO (EG) Nr. 1924/2006

ist eine

„gesundheitsbezogene Angabe“ jede Angabe, mit der erklärt,suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebrachtwird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie,einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht;

Nach Art 4. Abs.3 S.1 lautet:

Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen.

Bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent sind nur nährwertbezogene Angaben zulässig, die sich auf einen geringen Alkoholgehalt oder eine Reduzierung des Alkoholgehalts oder eine Reduzierung des Brennwerts beziehen.

II. Der Beschluss des BGH

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS vom 13.1.2011

I  ZR 22/09

(…)

Gurktaler Kräuterlikör

UWG §§ 3, 4 Nr. 11; Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 4 Abs. 3 Satz 1,

Art. 10 Abs. 1 und 3, Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nähr-wert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. Nr. L 404 vom 30. Dezember 2006, S. 9), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 116/2010 der Kommission vom 9. Februar 2010 (ABl. Nr. L 37 vom 10. Februar 2010, S. 16), folgende Fra-gen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Umfasst der Begriff der Gesundheit in der Definition des Ausdrucks „gesundheitsbezogene Angabe“ in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auch das allgemeine Wohlbefinden?

2. Falls die Frage 1 verneint wird:

Zielt eine Aussage in einer kommerziellen Mitteilung bei der Kennzeichnung oder Aufmachung von oder bei der Werbung für Lebensmittel, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, zumindest auch auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden oder aber lediglich auf das allgemeine Wohlbefinden ab, wenn sie auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 genannten Funktionen in der in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 dieser Verordnung beschriebenen Weise Bezug nimmt?

3. Falls die Frage 1 verneint wird und eine Aussage im in der Frage 2 beschriebenen Sinn zumindest auch auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden abzielt:

Entspricht es unter Berücksichtigung der Meinungs- und Informationsfreiheit gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Art. 10 EMRK dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, eine Aussage, wonach ein bestimmtes Getränk mit einem Alkoholge-halt von mehr als 1,2 Volumenprozent den Körper und dessen Funktionen nicht belastet oder beeinträchtigt, in den Verbotsbereich des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 einzubeziehen?

(…)

Gründe:

I. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen im Bereich der Spirituosenindustrie zu überwachen hat. Ihm gehören eine Reihe namhafter Hersteller und Vertreiber von alkoholischen Getränken in Deutschland sowie der Bundesverband der deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e.V. an.

Die Beklagte, die unter anderem alkoholische Getränke vertreibt, bewirbt ihren Kräuterlikör „Gurktaler Alpenkräuter“ mit einem Alkoholgehalt von 27 Volumenprozent wie nachstehend – in schwarz-weiß – wiedergegeben:

(hier befindet sich eine Abbildung)

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Aussage „Der wohltuende und bekömmliche Kräuterlikör aus den Alpen“ gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel enthält, die im Hinblick auf den 1,2 Volumenprozent übersteigenden Alkoholgehalt des beworbenen Getränks unzulässig sind. Er hat beantragt, es der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs selbst oder durch Dritte den Kräuterlikör „Gurktaler Alpenkräuter“ mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent mit der Angabe

a) „Der wohltuende Kräuterlikör.“

b) „Der bekömmliche Kräuterlikör.“

c) „Der wohltuende und bekömmliche Kräuterlikör.“

zu bewerben, anzubieten, zu vertreiben und/oder sonstwie in den Verkehr zu bringen.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sei zwar wettbewerbsrechtlich relevant. Die in der beanstandeten Werbung verwendeten Begriffe „bekömmlich“ und „wohltuend“ seien aber nicht auf die Gesundheit, sondern auf das allgemeine Wohlbefinden bezogen und würden daher, wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ergebe, von deren Bestimmungen nicht erfasst.

II. Der Erfolg der vom Senat zugelassenen Sprungrevision, mit der der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt, hängt von der Beantwortung der im Tenor dieses Beschlusses formulierten Fragen ab.

1. Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bezeichnet der Ausdruck „gesundheitsbezogene Angabe“ für die Zwecke dieser Verordnung jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Diese Angaben sind nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung verboten, sofern sie nicht den in Art. 3 bis 7 der Verordnung geregelten allgemeinen Grundsätzen und den in Art. 10 bis 19 der Verordnung festgelegten speziellen Anforderungen an gesundheitsbezogene Angaben entsprechen, gemäß der Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind.

Neben solchen Angaben mit einem spezifischen Gesundheitsbezug erfasst die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auch Verweise auf nichtspezifische allgemeine Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden. Solche Verweise sind nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung nur dann zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 und 14 der Verordnung enthaltenen speziellen gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie überhaupt keine gesundheitsbezogenen Angaben enthalten.

2. Das Landgericht hat nach Ansicht des Senats mit Recht angenommen, dass die Entstehungsgeschichte der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und insbesondere die Streichung der im Art. 11 Nr. 1 Buchst. a ihres Entwurfs (KOM [2003] 424 endg. vom 16. Juli 2003) enthaltenen Wendung „Angaben, die auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels in Bezug auf Gesundheit und Wohlbefinden verweisen“ darauf schließen lassen, dass der Begriff „Gesundheit“ in der Definition des Ausdrucks „gesundheitsbezogene Angabe“ in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht auch das allgemeine Wohlbefinden umfassen soll. Andernfalls stellte sich die Bezugnahme auf das „gesundheitsbezogene Wohlbefinden“ als Teilbereich des allgemeinen Wohlbefindens in der Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 als sinnlos dar, die an die Stelle des gestrichenen Art. 11 Nr. 1 Buchst. a des Entwurfs getreten ist (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2010, 291 f.; Fezer/Meyer, UWG, 2. Aufl., § 4-S4 Rn. 324 ff., 326; Meisterernst in Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims, 9. Lfg. 10/09, Art. 2 Rn. 24; H.-J. Koch, ZLR 2009, 758, 761 f.; Hagenmeyer, WRP 2010, 492, 493; Schwinge, ZLR 2010, 370, 371 f.; Kraus, WRP 2010, 988, 990).

3. Die auf der Grundlage dieser Ansicht im jeweiligen Einzelfall zu beurteilende Frage, ob eine Aussage aus der Sicht des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, auf den dabei nach dem Erwägungsgrund 15 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 abzustellen ist, auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden oder lediglich auf das allgemeine Wohlbefinden abzielt und damit den Regelungen unterfällt oder nicht, sollte nach Ansicht des Senats danach entschieden werden, ob die Aussage auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Funktionen Bezug nimmt (vgl. Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO Art. 2 Rn. 26 und 28; Kraus, WRP 2010, 988, 990). Im Hinblick auf die weite Fassung des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 wird man eine solche Bezugnahme allerdings nicht bereits dann verneinen können, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel und der Gesundheit nicht erklärt wird. Eine Bezugnahme wird vielmehr nur dann fehlen, wenn ein entsprechender Zusammenhang darüber hinaus weder suggeriert noch auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird.

4. An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Verwendung der Bezeichnung „bekömmlich“ in Bezug auf den Kräuterlikör der Beklagten nach Ansicht des Senats als zulässig. Mit ihr wird zum Ausdruck gebracht, dass der Likör den Körper und dessen Funktionen nicht belasten oder beeinträchtigen wird (vgl. OVG Koblenz, WRP 2009, 1418, 1419). Damit wird aber weder erklärt noch suggeriert noch auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass dem Produkt eine die Gesundheit fördernde Funktion zukommt (vgl. AG Tiergarten, LRE 31, 314, 315 ff.; H.-J. Koch, ZLR 2009, 758, 763 f.; Hagenmeyer, WRP 2010, 492, 494 f.; Schwinge, ZLR 2010, 370, 372; Kraus, WRP 2010, 988, 991; aA OVG Koblenz, WRP 2009, 1418, 1419 f.). Die Einbeziehung einer insoweit neutralen Aussage in den Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und damit – bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent – auch in den Verbotsbereich des Art. 4Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 widerspräche im Hinblick auf den damit verbundenen Eingriff in die Meinungs- und Informationsfreiheit gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Art. 10 EMRK dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Meisterernst in Meister-ernst/Haber aaO Art. 2 Rn. 26; vgl. ferner BVerwG, Beschluss vom 23. September 2010 – 3 C 36.09, juris Rn. 14).

5. Im Unterschied dazu stellte sich die Bewerbung des Kräuterlikörs mit der Aussage „wohltuend“ nach Ansicht des Senats als Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 Satz 1, Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar (aA OLG Nürnberg, Beschluss vom 17. September 2009 – 3 U 1611/08; Hagenmeyer, WRP 2010, 492, 495; Schwinge, ZLR 2010, 369, 371; Kraus, WRP 2010, 988, 990 f.; H.-J. Koch, ZLR 2009, 758, 763). Denn mit dieser Aussage wird zwar nicht erklärt, aber suggeriert, zumindest jedoch mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass der Genuss des Kräuterlikörs der Beklagten geeignet ist, den Gesundheitszustand des Verbrauchers zu verbessern. In diesem Zusammenhang ist zum einen zu berücksichtigen, dass es – jedenfalls in Deutscland – als Arzneimittelspezialitäten amtlich registrierte Kräuterdestillate mit Alkoholgehalt gibt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1979 – I ZR 109/77, GRUR 1979, 646 – Klosterfrau Melissengeist). Zum anderen gibt es inzwischen allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach ein moderater Konsum von Alkohol das Risiko von koronaren Herzerkrankungen reduziert (Haber in Meisterernst/Haber aaO Art. 4 Rn. 37 mwN). Beide Gesichtspunkte sind zumindest weithin bekannt und legen es dem mit der Werbung angesprochenen Verkehr daher nahe anzunehmen, dass der Likör der Beklagten als wohltuend bezeichnet wird, weil sein Konsum zu einer Verbesserung des gesundheitlichen Wohlbefindens führt oder führen kann.

6. Die danach von der Beklagten mit einem Teil ihrer beanstandeten Aussagen verletzte Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 stellt auch eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher im Sinne des § 3 UWG 2004 und ebenso die Interessen von Mitbewerbern und Verbrauchern im Sinne des seit 30. Dezember 2008 geltenden § 3 Abs. 1 UWG nicht nur unerheblich bzw. spürbar zu beein-trächtigen (vgl. OLG Celle, MD 2009, 1130, 1134; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rn. 11.137a; Harte/Henning/v. Jagow, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 104; Köhler, ZLR 2008, 135, 139 f.; Kraus, WRP 2010, 988 mwN). Der Anwendung dieser nationalen Bestimmungen steht auch nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken einerseits keinen dem § 4 Nr. 11 UWG entsprechenden Unlauterkeitstatbestand kennt und andererseits gemäß ihrem Art. 4 eine vollständige Harmonisierung bezweckt. Diese Richtlinie hat nach ihrem Art. 3 Abs. 3 die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte unberührt gelassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2010 – I ZR 166/08, GRUR 2010, 1026 Rn. 20 = WRP 2010, 1393 – Photodynamische Therapie, mwN).

(…)

LG Regensburg, Entscheidung vom 13.01.2009 – 1 HKO 2203/08 (1) –