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Urteil in der Rechtssache C-47/09
Europäische Kommission / Italienische Republik

Italien hat gegen Unionsrecht verstoßen, indem es die Bezeichnung „reine Schokolade“ zugelassen hat

Eine korrekte Unterrichtung der Verbraucher kann durch die Angabe auf dem Etikett, dass keine Ersatzfette enthalten sind, gewährleistet werden

Die Rechtsvorschriften der Union über die Etikettierung von Kakao- und Schokoladeerzeugnissen1 harmonisieren deren Verkaufsbezeichnungen. Wenn sie einen Anteil von höchstens 5 % an anderen pflanzlichen Fetten als Kakaobutter (Ersatzfette genannt) enthalten, bleibt ihre Bezeichnung unverändert, aber ihr Etikett muss den speziellen Hinweis „enthält neben Kakaobutter auch andere pflanzliche Fette“ in Fettdruck aufweisen.

Auf dem Etikett von Schokoladeerzeugnissen kann angegeben werden, dass sie ausschließlich Kakaobutter enthalten, vorausgesetzt, dass diese Angabe korrekt, neutral und objektiv ist und der Verbraucher dadurch nicht irregeführt wird.

Die italienische Regelung sieht vor, dass die Bezeichnung „reine Schokolade“ den Verkehrsbezeichnungen hinzugefügt oder in sie eingefügt oder auch an einer anderen Stelle des Etiketts von Erzeugnissen, die keine Ersatzfette enthalten, angegeben werden kann, und setzt Geldbußen (von 3 000 bis 8 000 Euro) für Verstöße gegen diese Regelung fest.

Die Kommission hat beim Gerichtshof eine Vertragsverletzungsklage gegen Italien erhoben und geltend gemacht, dass dieser Mitgliedstaat eine zusätzliche Verkehrsbezeichnung für Schokoladeerzeugnisse eingeführt habe, wonach diese als „rein“ oder „nicht rein“ angesehen werden könnten, was gegen die Richtlinie verstoße und der Rechtsprechung des Gerichtshofs zuwiderlaufe. Der Verbraucher müsse durch die Etikettierung und nicht durch die Verwendung einer anderen Verkehrsbezeichnung über das Vorhandensein von Ersatzfetten in Schokolade informiert werden.

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass die Europäische Union eine vollständige Harmonisierung der Verkehrsbezeichnungen von Kakao- und Schokoladeerzeugnissen vorgenommen hat, um die Einheit des Binnenmarktes zu gewährleisten. Diese Verkehrsbezeichnungen sind verbindlich und zugleich den in der Unionsregelung aufgeführten Erzeugnissen vorbehalten. Dann stellt er fest, dass diese Regelung die Verkehrsbezeichnung „reine Schokolade“ nicht vorsieht und ihre Einführung durch den nationalen Gesetzgeber nicht erlaubt. Unter diesen Umständen widerspricht die italienische Regelung dem System der Verkehrsbezeichnungen, das durch das Unionsrecht geschaffen wurde.

Außerdem genügt das vom italienischen Gesetzgeber eingeführte System der doppelten Bezeichnung auch insofern nicht den Anforderungen des Unionsrechts, als der Verbraucher über korrekte, neutrale und objektive Informationen verfügen muss, durch die er nicht irregeführt wird. Denn in der Rechtsprechung des Gerichtshofs2 wurde bereits festgestellt, dass der Zusatz von Ersatzfetten zu Kakao- und Schokoladeerzeugnissen, die die von der Unionsregelung vorgeschriebenen Mindestgehalte aufweisen, diese Erzeugnisse nicht so wesentlich verändert, dass sie zu anderen Erzeugnissen würden, und daher eine unterschiedliche Verkehrsbezeichnung nicht rechtfertigt.

Nach der Unionsregelung reicht hingegen eine neutrale und objektive Angabe auf einem anderen Teil des Etiketts, die die Verbraucher darüber informiert, dass das Erzeugnis keine anderen pflanzlichen Fette als Kakaobutter enthält, aus, um eine korrekte Unterrichtung der Verbraucher zu gewährleisten.

Folglich kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die italienische Regelung die Verbraucher dadurch irreführen und somit ihr Recht auf korrekte, neutrale und objektive Informationen beeinträchtigen kann, dass sie die Beibehaltung zweier Kategorien von Verkehrsbezeichnungen ermöglicht, die im Wesentlichen das gleiche Erzeugnis bezeichnen.

1 Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. L 109, S. 29) und Richtlinie 2000/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juni 2000 über Kakao- und Schokoladeerzeugnisse für die menschliche Ernährung (ABl. L 197, S. 19).

Quelle: PM des EuGH